Kultur

"Kulturzeit" vom 03.07.2023: Warum geschlossene Grenzen Europa schaden

Die Themen der Sendung vom 03.07.2023: Europäische Asylpolitik, Abgrenzen gegen Rechts - Gespräch mit Andreas Rödder, Schau "Der große Schwof", Bachmann-Preis an Valeria Gordeev und Goethe Institut im Exil: Afghanistan.

Produktionsland und -jahr:
Deutschland 2023
Datum:
Verfügbar
weltweit
Verfügbar bis:
bis 03.07.2024

Die Themen der Sendung:

Volker M. Heins und Frank Wolffs Buch "Hinter Mauern"

Humanität und Menschenrechte stehen in der aktuellen Migrationspolitik nicht an erster Stelle, sagen der Politikwissenschaftler Volker M. Heins und der Historiker Frank Wolff in ihrem neuen Buch "Hinter Mauern". Die gängige These, Gesellschaften würden sich durch Einwanderung verändern, krimineller, unsicherer, rassistischer werde, stellen sie auf den Kopf. Die Autoren wollen dagegen zeigen, wie sich unsere offene Gesellschaft durch die Abwehr von Migration negativ verändert. Die Abschottung Europas, sagen sie, führe zu Abstumpfung und Verrohung. Das kürzlich in der Ägäis verunglückte Flüchtlingsschiff stehe beispielhaft dafür, wenn auch Politiker wie der konservative sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer sagen, solche Bilder müssen wir aushalten. Um die Bilder auszuhalten, werden sie mit negativen Begriffen beschrieben. "Irreguläre" oder "illegale" Migration impliziert, diese Menschen hätten kein Recht auf Asyl, auf die Genfer Flüchtlingskonvention, auf Menschenrechte.

Die zunehmende Rechtlosigkeit sei wie ein Krebs, der in viele Bereiche streue, sagen die Autoren: So werde immer mehr auch die Seenotrettung kriminalisiert, der Druck auf Rechtsanwälte erhöht, die sich für Geflüchtete einsetzen, Rechtsstaatlichkeit werde abgebaut und der öffentliche Diskurs verrohe. Gerade die geschlossenen Grenzen verstärken nach Meinung der Autoren sogar die Fremdenfeindlichkeit innerhalb westlicher Gesellschaften. Nach und nach habe sich die Gründungsidee Europas und der EU, dass man Frieden durch Freizügigkeit sichere, ins Gegenteil verkehrt: zu einer polizeilichen Sicherheitsdoktrin, die harte Gewalt rechtfertigt. Die Autoren plädieren für eine Humanisierung, Liberalisierung und Demokratisierung der Grenzen. Die Aufnahmebereitschaft von Kommunen und Gesellschaft sei gar nicht so gering und deswegen soll nicht länger der Staat allein über Migration entscheiden. Die geniale europäische Idee der Freizügigkeit könnte auch über Europa hinaus angewandt werden.

Abgrenzen gegen Rechts - Gespräch mit Andreas Rödder

Nach dem Landrat in Sonneberg kommt jetzt auch der Bürgermeister der sachsen-anhaltinischen Kommune Raguhn-Jeßnitz von der AfD. Warum schafft die Union es nicht mehr, das Spektrum Mitte-Konservativ, oder auch Rechts abzudecken? Wir ssprechen mit dem Historiker Andreas Rödder, der mit seinem Thinktank Republic 21 Konzepte für eine bürgerliche Politik entwirft.

Ausstellung "Der große Schwof. Feste Feiern im Osten" in Jena

Die DDR ist zurück. Spätestens mit Katja Hoyers umstrittener Geschichte der DDR diskutieren wir wieder über das Land, das es seit 33 Jahren nicht mehr gibt. Die Städtischen Museen Jena nehmen mit einer großen Fotoausstellung an der neuen Debatte teil. Und ein Blick auf die ausgestellten Fotografen, u.a. Ute Mahler und Harald Hauswald, lässt ahnen, dass man mit dieser Ausstellung beide Seiten der Medaille zeigen kann. Feiern in der DDR - das bedeutete einerseits die große Ablenkung. Ob Traditionspflege auf sorbischen Festen oder die sich in den 1980er Jahren sogar dem vormals als westlich verpönten Striptease öffnenden Dorf- und Stadtfeste – die Bilder zeigen lebensfrohen Alltag. Andererseits war der oft alkoholgeschwängerte Eskapismus politisch gewollt, ein Ventil, eine Befreiung für einen Abend. Feiern in der Diktatur – ein Ausweg in ausweglosen Zeiten. Fotografen und Fotografinnen von einst und die Ausstellungsmacher erzählen von "großen Schwof" - bis zum 15. Oktober in den Städtischen Museen Jena.

Bachmann-Preis an Valeria Gordeev

Valeria Gordeev hat den Ingeborg-Bachmann-Preis 2023 gewonnen. Mit ihrem äußerst genau beobachteten und gestalteten Text eines Mannes mit Putz-Neurose setzte sich die aus Tübingen stammende Autorin gegen elf Mitbewerber bei den 47. Tagen der deutschsprachigen Literatur im österreichischen Klagenfurt durch. Der renommierte Literaturpreis, der an die österreichische Schriftstellerin Ingeborg Bachmann (1926-1973) erinnert, ist mit 25.000 Euro dotiert und wird von der Stadt Klagenfurt vergeben.

Bei dem Wettlesen überzeugte Gordeev die Jury mit ihrer Kurzgeschichte "Er putzt". Darin seziert sie sprachlich die Putz-Neurose eines Mannes, stellt ihn jedoch nicht als klinischen Fall dar, sondern als hingebungsvollen Menschen, der sich um seine Mutter und seine Schwester sorgt. Als "Plädoyer für die Empfindlichkeit" lobte Jury-Vorsitzende Insa Wilke den Text. Gordeev arbeitet seit einigen Jahren an ihrem Debütroman, der sich unter anderem mit der russischen Gegenwart auseinandersetzt. Ihre Eltern wanderten Ende der 1970er Jahre aus der Sowjetunion aus, Gordeev wurde 1986 in Tübingen geboren. Die Autorin ist auch als Illustratorin und Liedtexterin tätig.

Goethe-Institut im Exil: Afghanistan

In den Ländern, in denen das Goethe-Institut und andere internationale Kulturinstitutionen aufgrund von Kriegen oder Zensur ihre Standorte schließen mussten, gehen für viele Künstler*innen und Intellektuelle Räume für Widerspruch, Dialog und interkulturellen Austausch verloren. Das Goethe-Institut im Exil soll ein Begegnungsort, ein Schutzraum und eine Bühne für Kulturschaffende sein, die wegen Krieg oder Zensur in ihrem Heimatland nicht mehr arbeiten können. In diesem Jahr finden Künstler*innen und Intellektuelle aus Afghanistan diesen Schutzraum in Berlin.

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