Gesellschaft

Kühe für Katar: Selbstversorgung in der Wüste

Katar gehört zu den reichsten Ländern der Welt, ist aber bei Lebensmitteln auf Importe angewiesen. Nun will das kleine Emirat unbedingt Selbstversorger werden. Koste es, was es wolle.

Produktionsland und -jahr:
Deutschland 2019
Datum:
Verfügbar
weltweit
Verfügbar bis:
bis 09.08.2024

Im Wüstenemirat Katar Landwirtschaft zu betreiben, ist etwa so naheliegend wie ein Gemüsebeet auf dem Mars anzulegen. Irre, aber wahr: Genau das passiert gerade. Es entstehen Gemüsefelder und vollklimatisierte Ställe für das Vieh. Geld spielt eher keine Rolle.

"Das ist so ziemlich der letzte Platz auf der Welt, an dem man eine Milchfarm bauen würde", sagt Peter Weltevreden. Er muss es wissen, denn Weltevreden ist Chef von Baladna, dem außergewöhnlichsten Kuhstall der Welt. Das Unternehmen schickt sich an, den Wüstenstaat Katar vollständig mit Milch und Milchprodukten zu versorgen.

Der Wunsch nach Selbstversorgung hat einen ernsten Hintergrund: Saudi Arabien und die Nachbaremirate Dubai und Abu Dhabi - traditionell die wichtigsten Handelspartner Katars - werfen den Kataris vor, den Terrorismus zu unterstützen und die Nähe zum schiitischen Iran zu suchen. Mitte 2017 schloss Saudi-Arabien die Grenze und schnitt das Emirat so von seinen traditionellen Versorgungsrouten ab. Andere Länder der sunnitisch-arabischen Welt schlossen sich dem Boykott an.

Lebensmittel zu beschaffen, wurde für das reichste Land der Welt plötzlich zur nationalen Herausforderung. Besonders Molkereiprodukte waren knapp. Sie wurden bis dahin fast ausschließlich aus Saudi-Arabien geliefert. Täglich gingen 400 Tonnen Joghurt, Milch und Käse über die Grenze.

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Und so kamen die Kühe in die Wüste. Die ersten flog Qatar Airways bereits 36 Tage nach dem Embargo ins Land. Die Farm, Baladna, was "unser Land" bedeutet, gab es in Ansätzen schon - nur viel kleiner und für die Zucht von Ziegen und Schafen. Mit dem Embargo wurde auf Milchvieh umgestellt, was immer schon geplant war, sich aber nie gerechnet hätte. Die ersten 4000 Kühe kamen per Luftfracht, seither auf dem Seeweg. Die meisten der Holsteiner Friesen stammen aus den USA; aus Europa waren nicht so viele zu bekommen.

Viehzucht bei 50 Grad Außentemperatur klingt skurril. Aber Farmen wie Baladna sind im Mittleren Osten nichts Neues. Alles wird importiert, auch die Fachleute. Wasser wird aufbereitet und recycelt. Die Ställe gekühlt. "Das spezielle Tunnel-Ventilationssystem wurde extra für uns entwickelt", erzählt Ramez Al-Khayyat, der Eigentümer von Baldana, "ebenso wie das Wassernebel-Kühlungssystem, welches das Klima kontrolliert. Das ist so nirgendwo auf der Welt sonst zu finden."

Die Herausforderung für ein privatwirtschaftliches Unternehmen besteht darin, trotz widriger Bedingungen Qualität zu einem guten Preis zu liefern. Ein Liter Milch kostet fünf katarische Rijal, etwas mehr als ein Euro. Bereits nach einem Jahr deckte die Farm 60 Prozent des Marktes an Molkereiprodukten ab. Die komplette Selbstversorgung soll 2019 erreicht werden.

Kühe sind keineswegs die einzigen neuen Bewohner der katarischen Wüste: Ähnliches gilt für Hühner. Fast der gesamte Eigenbedarf wird heute selbst produziert, z.B. von der Geflügelfarm Mazzraty, die einer reichen katarischen Familie gehört. Man setzt auf Hightech-Kreislaufwirtschaft, beginnend mit dem Anbau von Futterpflanzen auf eigenen, ganzjährig bewässerten Feldern. Ziel ist es, die Farm vollkommen autark zu betreiben. Alles wird vor Ort erzeugt: Futter, Dünger und das Fleisch. 18 Mio. Vögel pro Jahr will man hier einmal produzieren.

Anders als vor dem Embargo stammt heute auch rund ein Viertel des Gemüses aus heimischem Anbau. Gewächshauskultur ist dabei die Regel. Nur während der kühleren Wintermonate gedeiht Gemüse auch draußen, auf bewässerten Feldern.

Die Produktion von Molkereiprodukten, Gemüse oder Hühnern hätte sich ohne Embargo nie gelohnt. Aber Krisen sorgen für Bewegung: Viele Projekte, die Katar als Vision für 2030 festgelegt hatte, werden nun schneller angegangen, Freihandelszonen entstehen. Gleichzeitig werden für ausländische Firmen die Zügel gelockert. Ein neues Investitionsgesetz erlaubt es diesen nun, Immobilien zu 100 Prozent zu besitzen und Niederlassungen auch ohne lokalen Partner zu gründen.

"Hoffentlich gelingt es uns, mehr Investoren anzulocken!", sagt Außenamtssprecherin Lulwa Rashid Al-Khater. Man will Zukunfts-Knowhow ins Land holen. Katar setzt notgedrungen auf neue Handelspartner und neue Einkommensfelder jenseits von Öl und Gas. Viel Geld fließt in Bausektor, Finanzwesen, Kultur, Sport - und die Landwirtschaft.

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