Film
Der Präsident
Stepan Timoshin ist 23 – und schon ganz oben. Der Boulevard tauft den Influencer und TikToker "Sneaker-Millionär". Anfang 2024 verkündet er: Er möchte Präsident von Hertha BSC werden.
- Produktionsland und -jahr:
-
Deutschland 2025
- Datum:
- Sendetermin
- 24.11.2025
- 22:25 - 23:05 Uhr
Seit Frühjahr 2024 begleitete der Dokumentarfilmer Klaus Stern den Jungunternehmer bei seiner Mission, jüngster Präsident eines Profifußballvereins in Europa zu werden. Ein scheinbar unmögliches Unterfangen.
Nach dem plötzlichen Tod des beliebten Präsidenten Kay Bernstein im Januar 2024 sollte im November 2024 der Präsident des Berliner Clubs neu gewählt werden.
Stepan Timoshin, der mit acht Jahren gemeinsam mit seinen Eltern von Lettland nach Berlin zog und sich dem Verein verbunden fühlt, hat eine klare Agenda: Er will "absolute Transparenz und Offenheit" und werde "diesen Saustall" namens Hertha BSC "ausmisten". Und das könne nur er. Und wenn nötig, werde er auch sein "ganzes Vermögen" in den Verein investieren. Er ist sich ziemlich sicher, bei der Wahl zu triumphieren.
Doch im August 2024 der Schock: Timoshin verkündet via "Bild-Zeitung", er habe Lungenkrebs. Die Streetwear-Firma "Elevate", die er mit den Influencern Sidney Friede und Elias Nerlich betreibt, soll liquidiert werden. Es steht der Verdacht der Untreue im Raum, Timoshin wird als Geschäftsführer abberufen. An seiner Präsidentschaftskandidatur hält er dennoch fest.
Im Lauf des Herbstes zeigen sich weitere Risse in dem von Stepan Timoshin aufgebauten Bild des gefeierten E-Commerce-Gurus mit 120 Mitarbeitenden, 60 Millionen Umsatz, mehreren Luxusautos und Wohnsitz in der Schweiz - ein Narrativ, das auch durch große Porträts in renommierten Publikationen wie der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", dem "Handelsblatt" oder der ARD-Reihe "Money Maker" fortgeschrieben wurde. Zwei Tage vor der Präsidentschaftswahl erscheint ein Artikel in "Der Spiegel", dessen Recherche nahelegt, dass Timoshins finanzieller Background ein anderer ist, als von ihm behauptet.
Klaus Stern begleitet Timoshin während der heißen Phase seines Wahlkampfs, spricht aber auch mit Mitgliedern des Fußballclubs, mit ehemaligen Geschäftspartnern und dem Journalisten Thilo Neumann, der mit seinem Artikel im "Spiegel" einen Stein ins Rollen brachte.
Klaus Stern, geboren 1968 in Nordhessen, wurde für seine Dokumentarfilme mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Grimme-Preis, dem Deutschen Fernsehpreis und dem Hessischen Filmpreis. Filme (Auswahl): "Watching you - Die Welt von Palantir und Alex Karp" (2024), "Versicherungsvertreter - Die erstaunliche Karriere des Mehmet Göker" (2011), "Weltmarktführer - Die Geschichte des Tan Siekmann" (2005).
Interview mit Filmemacher Klaus Stern
Sie porträtieren in Ihren Dokumentarfilmen häufig selbstbewusste und polarisierende Persönlichkeiten. Wie sind Sie auf Stepan Timoshin gestoßen, und was hat Sie dazu inspiriert, ihn in Ihrem neuesten Film zu begleiten?
Seit 1977 bin ich Hertha-BSC-Fan. Mein Onkel wohnte unweit des Kudamms. Oft war ich bei ihm und meiner Tante zu Besuch. Und bei diesen Anlässen war ich stets im Olympiastadion und habe mir nach den Spielen Autogramme beim Kabinenausgang von Erich Beer, Holger Brück und Norbert Nigbur geholt. Also: frühkindliche Prägung. Und bis heute leide ich mit Hertha.
Im Sommer 2023 hat in einem Trainingslager von Hertha BSC im österreichischen Zell am See der Torwart Marius Gersbeck volltrunken einen Österreicher nachts um drei krankhausreif geschlagen. Dennoch durfte er im Profikader von Hertha verbleiben. Was ich als seltsam empfand. Im Oktober 2023 las ich zum ersten Mal von Stepan Timoshin. Er fand das auch kritikwürdig und kündigte für das darauffolgende Jahr seine Kandidatur als Präsident an. Und das als 23-Jähriger. Da dachte ich: Super, das schaue ich mir an.
Wie hat sich Ihre Beziehung im Laufe der Dreharbeiten verändert?
Ich fand ihn erst mal sympathisch, gerade wegen seines moralischen Kompasses bei der Gersbeck-Sache. Und er war gleich ganz begeistert, dass ich ihn bei seiner Kandidatur begleiten will. Bis dann konkrete Drehs zustande kamen, hat es ein wenig gedauert. Dafür hatte ich Verständnis. Denn im Frühjahr hat er mir eröffnet, er habe Lungenkrebs.
In Ihrem Film zeichnen Sie ein Bild von Timoshins öffentlicher Erscheinung. Was hinter der Figur des Influencers und Unternehmers steckt, bleibt jedoch weitestgehend verborgen. Wer ist Stepan Timoshin für Sie?
Na ja, ich mache einen kommentarlosen Dokumentarfilm über seinen Weg zur Kandidatur zum Präsidentenamt. Und zeige seine Widersprüche und Ungereimtheiten auf. Und im Gegenteil: Ich finde, der Film ist aufklärend, wenn man die bisherige Berichterstattung über ihn anschaut.
Viele Szenen des Films zeigen das große mediale Interesse an Timoshins Person und an seinem angeblichen Erfolg. Inwieweit standen Sie im Austausch mit Journalistinnen und Journalisten, die an Beiträgen über oder mit Stepan Timoshin gearbeitet haben?
Ich habe mit Einigen telefoniert, die hatten null Verdacht geschöpft. Ich wusste seit Sommer 24, dass Timoshins Geschichte so nicht stimmen kann. Erst Thilo Neumann von "Der Spiegel" hat im November 2024 einen, wie ich finde, realistischen Blick auf die Geschichte geworfen.
Inwieweit standen Sie mit Menschen aus Timoshins Umfeld in Kontakt, die von persönlichen Erfahrungen mit ihm berichten konnten?
Ja, stand ich. Ein Dokumentarfilm besteht auch aus vielen, vielen Gesprächen und Recherchen im Vorfeld, die oft nicht den Weg in den Film finden. Aber, hier kann ich sagen, sie sind alle eingeflossen. Auch wenn man sie nicht sieht.
Was waren für Sie die größten Herausforderungen als Dokumentarfilmemacher bei dieser Produktion?
Wie bei allen strittigen Themen ist es nicht einfach, Menschen zu bewegen, vor die Kamera zu gehen und sich zu positionieren. Dass sie das dann doch machen, ist meist ein langer, langer kräftezehrender Weg.
Interview: Lilith Eckstein