Dokumentation
Wiener Gstettn
Umgeben von Stadtwüste, sterilem Beton oder ödem, überpflegtem Einheitsgrün verlieren immer mehr Tiere ihre letzten Rückzugsflächen.
- Produktionsland und -jahr:
- Datum:
- Verfügbar
- weltweit
- Verfügbar bis:
- bis 23.10.2024
Die Stadt wächst unaufhaltsam. Doch wo der Mensch seine ordnende Hand zurückzieht, sprießt und krabbelt es sogleich, die Natur dringt aus allen noch so winzigen Asphalt- und Betonritzen und erobert sich ihr Recht zurück. Die Dokumentation "Wiener Gstettn" von Thomas Rilk präsentiert die Vielfalt der "Wiener Gstettn", einer kaum bekannten Wildnis in der Großstadt.
Bedrohte Arten finden einen Lebensraum
Für viele freilebende Tiere sind diese Flecken oft die letzten Rückzugsmöglichkeiten in der Stadt. Mehr als 2.000 Pflanzenarten sind in Wien zu finden - ebenso die Hälfte der österreichischen Brutvögel und zwei Drittel der österreichischen Säugetierarten.
Die Wiener Gstettn beherbergen eine Reihe von bedrohten Arten, wie Gottesanbeterin, Haubentaucher oder Zauneidechse. Unzählige Säugetiere, Vögel und Amphibien finden hier Lebensraum - Füchse, Feldhasen, Waschbären, Laubfrösche oder Elstern. Weiters erobern sich Insekten wie der schillernde Rosenkäfer, der bizarre Ameisenlöwe oder das Wiener Nachtpfauenauge hier ein Zuhause. In der Welt der Pflanzen ringen Wiener Rauke und Hirtentäschel als bodenständige Arten mit Einwanderern - sogenannten Neophyten - wie Götterbaum und Goldrute um Plätze an der Sonne.
Verborgene Lebenswelten
Hinter einer unscheinbaren Mauer auf einer Hauptverkehrsstraße oder einer Plakatwand existieren geheimnisvolle Winkel, die zumeist unentdeckt bleiben und zerstört werden, ohne je die Beachtung des Menschen gefunden haben. Die Dokumentation öffnet den Blick in diese verborgenen Lebenswelten mitten in der Metropole. In der riesigen Baulücke auf der Donauplatte, eingerahmt von der modernen Skyline der Glaspaläste der Donau-City, sitzt im Dickicht ein Feldhase und kaut an Kräutern. Zauneidechsen liegen in der Sonne, unbeeindruckt vom hektischen Treiben ringsum in Wiens modernstem Stadtteil. Doch die Uhr tickt, denn schon im nächsten Frühling werden hier Bagger das Fundament für Österreichs höchstes Gebäude ausheben und die Idylle auf Zeit beenden. Noch verzehrt in aller Ruhe eine Gottesanbeterin den gerade erhaschten Heuschreck.
Diese großen, elegant anmutenden Fangschrecken haben gute Karten die "Gstettn-Apokalypse", diesen Weltuntergang im Kleinen, zu überstehen. Auch wenn die Erwachsenen den Winter nicht überleben, haben doch die Jungen, die im Frühjahr aus dem Gelege schlüpfen, die Möglichkeit, den bedrohlichen Baggern davonzufliegen. Ein Bagger bricht durch Gehölz, scheucht eine Schar kleiner Tiere auf und treibt sie vor sich her. Es sind Waschbären, eine Mutter mit drei Jungtieren, die hier den Tag verdösten. Der Zuwanderer, der ursprünglich aus Nordamerika stammt, ist seit den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts von Mitteldeutschland her unterwegs, um die Alte Welt zu erobern. Auf seinen Erkundungszügen hat er die Grenzen zu Österreich längst überschritten. "Universum" zeigt das nachtaktive - und daher selten zu beobachtende Tier - auf seiner Wanderung quer durch Wien.
Unverbaubare Gstettn am Wienerberg
Das riesige Gelände am Wienerberg ist eine ganz besondere Gstettn. Einmal weil hier die Stadt Wien jede Verbauung untersagt und somit Entwicklungen ermöglicht, die auf anderen Gstettn nur selten stattfinden. Zum anderen, weil die ehemalige Ziegelgrube hier auch Teiche umschließt, die - ebenfalls von Menschenhand geschaffen - den besonderen Fall einer "Wassergstettn" abgeben. Im Uferdickicht hört man das zarte Piepen junger Teichhühner, draußen auf dem offenen Wasser füttert ein Haubentaucher seine Brut. Unter der Wasseroberfläche weidet die Sumpfdeckelschnecke Steine ab und erwischt dabei auch immer wieder Süßwasserpolypen, die mit langen Tentakeln und unendlicher Geduld auf Wasserflöhe lauern. Im Uferdickicht nimmt unterdessen eine dramatische Begegnung von Fuchs und Wildenten ihren Lauf.
Inseln im Beton
Der Blick von ganz oben - aus Heißluftballon und Hubschrauber - lässt erkennen, dass Gstettn Inseln in der von Beton beherrschten Stadtlandschaft darstellen - verbunden durch grüne Korridore wie Bahndämme oder den Wienfluss, eine Lebensader für viele Tiere. Mehr als ein Jahr lang ist ein "Universum"-Team in diesen Mikrokosmos der Millionenstadt eingetaucht und wurde Zeuge einer ungeheuren Artenvielfalt. Zeitraffer, Superzeitlupe und extreme Makro-Objektive ermöglichten Aufnahmen noch nie gesehener Bilder: Weinbergschnecken, die sich zur Winterruhe in die Erde eingraben, Marienkäfer, die ihre Deckflügel spreizen und wie Hubschrauber abheben. Die Wildnis in der Stadt ist geprägt von stetem Kommen und Gehen - hier findet ein steter Kampf ums Überleben, um Ressourcen und Lebensraum statt.