Gesellschaft

Geschäftsmodell Müll

Es ist ein Milliardengeschäft: Unser Müll aus Deutschland wird um den ganzen Globus verkauft, verschifft, gehandelt. Bis 2018 landete ein großer Teil unseres Plastikmülls in China. Jetzt kommt er zurück.

Produktionsland und -jahr:
Deutschland 2019
Datum:
Verfügbar
weltweit
Verfügbar bis:
bis 04.10.2024

Die Handelswege des Plastikmülls führten zunächst nach China. Ganze Landstriche und ihre Bewohner lebten hier bis vor kurzem vom Recycling des Mülls aus dem Ausland. Für sortenreinen Kunststoffabfall werden hohe Preise gezahlt. Aber wie funktioniert das globale Geschäft mit dem Plastikmüll?

Der Volkswirt Henning Wilts leitet am Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt und Energie die Abteilung Kreislaufwirtschaft. "Müll ist einfach ein Thema, mit dem man sehr gut Geld verdienen kann", sagt er. Allein in Deutschland geht es um 50 Milliarden Euro. Für Unternehmen, betont Wilts, sei Abfall ein normales Wirtschaftsgut, mit dem gehandelt wird, sofern der Preis stimmt.

Weit mehr als nur Abfall

Obwohl die Sortierung in Deutschland teuer ist, lässt sich mit dem Export einzelner vorsortierter Fraktionen ins Ausland Geld verdienen, denn ausländischen Recycler zahlen einen guten Preis. Verpackungsabfall, der in Deutschland zu aufwendig und zu teuer in der Sortierung ist, wird entweder verbrannt oder ebenfalls exportiert, falls das billiger kommt.

Rund die Hälfte der weltweiten Plastikmüllexporte landete bislang in China. Im Jahr 2016 waren das mehr als 7 Mio. Tonnen. Der größte Anteil, Müll im Wert von rund 450 Mio. Euro, wurde aus der EU nach China verkauft. Aus Deutschland waren es allein 560.000 Tonnen Plastikmüll im Wert von rund 170 Mio. Euro.

In China wird der Plastikmüll zu Granulatkugeln verarbeitet, aus denen wieder neue Produkte hergestellt werden. Die Betreiber der Anlagen haben in den vergangenen Jahren gut verdient, denn China benötigt für die inländische Industrie einen stetigen Nachschub an Grundstoffen.

"Niemand schickt Müll nach Mosambik"

Dass es beim Export von Müll aus Industrieländern in die Entwicklungsländer nur um niedrige Umweltauflagen und günstige Arbeitskräfte geht, hält der amerikanische Journalist Adam Minter, der sich seit Jahren mit der globalen Müllbranche beschäftigt, für einen Mythos: "Wenn das der Fall wäre, würde der Müll nicht nach China und Südostasien gehen, weil es nicht die billigsten Orte sind." Am günstigsten wären Orte wie Mosambik. "Aber niemand schickt Müll nach Mosambik. Aus dem einfachen Grund, weil dort keine Produktion stattfindet!"

Laut Minter macht das Recycling dort Sinn, wo Plastik für die Herstellung neuer Produkte benötigt wird. Produkte, die dann z.B. aus China nach Europa verkauft und verschifft werden. Auf der Rückfahrt nach China sind diese Container leer. Da bot es sich an, sie mit Müll zu füllen: Pappe, Kunststoff, Metalle. "Je mehr die Deutschen aus China kaufen", sagt Minter, "desto mehr Anreize gibt es für das Recycling in China." Auch eine Form von Kreislaufwirtschaft.

Chinas Kehrtwende

Doch damit ist Schluss. Ab Januar 2018 dürfen verschiedene Recyclingmaterialien nicht mehr nach China importiert werden - darunter auch Plastikabfall. Umweltprobleme sind dabei nur ein Grund.

Recycling-Fachmann Henning Wilts vermutet ein wirtschaftliches Motiv: "China hat eine sehr klare Strategie, bei keinem Rohstoff zu abhängig zu werden von Importen aus dem Ausland." Die Chinesen wollen also ihr eigenes Recycling-System aufbauen.

Doch wohin mit all dem Müll, den China nicht mehr will?

Der Müll kommt zurück

Die neuen Zielländer sind Vietnam, Indonesien und Malaysia. Malaysia ist so zum wichtigsten Importeur für Plastikmüll aufgestiegen. Gerade auch chinesische Recyclingfirmen stampfen dort reihenweise Anlagen aus dem Boden. Man möchte sich ungern Geschäft entgehen lassen. Doch insbesondere Malaysia wehrt sich gegen das Image der globalen Müllkippe: Container voller unsortierter Abfälle werden in Zukunft postwendend in die Herkunftsländer zurückgeschickt.

Ich glaube, die EU-Plastikstrategie ist in der Idee relativ ähnlich, wie das, was China schon seit ein paar Jahren macht. Man möchte das Recycling befördern, aber fast zuallererst aus ökonomischen Gründen. Henning Wilts, Recycling-Experte

Langsam wird klar: Unser Müllproblem kann nicht im Ausland gelöst werden. So haben sich die Vertragspartner des sogenannten Basler Übereinkommens, insgesamt 187 Staaten, auf eine Verschärfung der Plastikmüll-Exporte geeinigt. Demnach muss jetzt der Import von kontaminierten, gemischten oder nicht recyclingfähigen Kunststoffabfällen von den Empfängerländern vorab genehmigt werden.

Dieser ab 2021 geltende Beschluss könnte den weltweiten Handel mit Müll grundlegend ändern. Ebenso wie die neue EU-Plastikstrategie: Ab 2030 sollen alle Kunststoffverpackungen auf dem EU-Markt recyclingfähig sein, der Verbrauch von Einwegkunststoffen soll reduziert und die absichtliche Verwendung von Mikroplastik beschränkt werden.

Mit Blick auf eine funktionierende Kreislaufwirtschaft merkt Henning Wilts jedoch an, dass andere Länder gegenüber Deutschland "mittlerweile fünf, sechs, sieben Jahre Vorsprung haben".

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