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Gesellschaft

Wald: "Trockenstress mit Insektenbefall"

Trotz des Dürresommers: Nirgendwo in der EU gibt es so hohe Holzvorräte wie in Deutschland. Warum der Wald hier so leistungsfähig ist, erklärt Albrecht Bemmann im Vorab-Interview mit makro-Moderatorin Eva Schmidt.

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Dem Wald geht es schlecht. Trockenheit schwächt die Bäume, der Borkenkäfer nagt an der Substanz. Forstexperte Prof. Albrecht Bemmann sagt, die heutigen Waldschäden seien in erster Linie auf weltweite klimatische Veränderungen zurückzuführen. Zwar sei der Wald als Ökosystem fähig, sich an veränderte Umweltbedingungen anzupassen, auch ist der Anteil der besonders anfälligen Fichte in den vergangenen Jahrzehnten zugunsten von Laubmischwäldern deutlich zurückgegangen. Trotzdem sind viele Waldbauern mehr oder weniger ratlos, welche Bäume angesichts des Klimawandels im heimischen Wald eine Zukunft haben.

makro: Nicht erst seit diesem Hitzesommer, schon seit etwa 40 Jahren wird der deutsche Wald immer wieder für tot erklärt. Trotzdem hat der Holzvorrat in deutschen Wäldern eine Höhe erreicht wie seit Jahrhunderten nicht mehr. Wie erklären Sie diesen Widerspruch?

Albrecht Bemmann: Vor allem seit den 1970er Jahren wurden Waldschäden in einigen Regionen Deutschlands deutlich sichtbar. Verantwortlich dafür waren hauptsächlich Luftschadstoffe aus industriellen Großanlagen und Verbrennungsmotoren. Diese Schadstoffe wurden durch technologische Innovationen in den vergangenen Jahrzehnten drastisch verringert, so dass Bäume bessere Wuchsbedingungen bekamen und dadurch die Holzvorräte - trotz der jährlichen Holznutzungen - anstiegen.

Waldökosysteme sind also offensichtlich fähig, sich an verändernde Umweltbedingungen anzupassen und auch gravierende 'Störungen' zu überstehen, wenn die Schadensursachen zurückgehen.

Zur Person

  • Der Forstexperte Prof. Dr. Albrecht Bemmann von der TU Dresden

    Forstwissenschaftler, TU Dresden

makro: Was ist denn bei dem Waldsterben von heute anders?

Albrecht Bemmann: Die heutigen Waldschäden sind in erster Linie auf weltweite klimatische Veränderungen zurückzuführen. Das sind lang anhaltende Hoch- und Tiefdruckgebiete (über Europa), in deren Folge erhöhte Temperaturen in Verbindung mit verringerten Niederschlägen auftreten und zu Trockenstress mit Insektenbefall sowie Sturmschäden und Waldbränden führen. Diese Ursachen können deshalb allein auf nationalstaatlicher Ebene nicht behoben werden, sondern bedürfen globaler Lösungen.

makro: Schon nach den schweren Stürmen wie Kyrill 2007 hieß es: Wir müssen den deutschen Wald klimafest machen. Jetzt wird die Forderung wieder laut. Warum sind wir in der Zwischenzeit nicht vorangekommen?

Albrecht Bemmann: Wir sind in Deutschland bei dem Waldumbau von Nadelbäumen hin zu Mischwäldern in den vergangenen Jahrzehnten - beginnend weit vor Kyrill - gut vorangekommen. So ist die mit Fichte bestockte Fläche in Deutschland von 1987 (einschließlich DDR) bis 2017 um 24% gesunken.

Da durch die Erderwärmung mehr 'Energie' in der Atmosphäre ist als noch vor Jahrzehnten, werden aber die Häufigkeit und die Heftigkeit von Stürmen weiter steigen, denen alte Bäume und bestimmte Baumarten wie eben die Fichte nicht standhalten.

makro: Es gibt rund zwei Millionen Waldeigentümer in Deutschland, viele fordern jetzt nach dem Dürresommer staatliche Hilfe. Warum sollte der Steuerzahler für die Schäden aufkommen? Persönliches Vermögen ist schließlich immer einem Risiko unterworfen.

Albrecht Bemmann: Wald erbringt für die Gesellschaft, d.h. auch für alle Steuerzahler, weit mehr an Ökosystem-Dienstleistungen als die Produktion von marktrelevantem Holz. Wald bietet Wasserspeicherung, Erosionsschutz, Erholungsraum, Erhaltung eines Landschafts- und Kulturgutes, Luftreinhaltung sowie die Sicherung einer hohen biologischen Vielfalt.

Zunehmend dringt in das Bewusstsein der Öffentlichkeit, dass Wald Kohlenstoff speichert und in seiner Aufbauphase (d.h. als Wirtschaftswald) Kohlendioxid aufnimmt. Damit ist ein nachhaltig bewirtschafteter Wald ein steuerbares Ökosystem, das vielfältige klimastabilisierende, kulturelle, soziale und ökonomische Leistungen erbringt. Wald ist deshalb ein gesamtgesellschaftliches Gut und weit mehr ist als nur 'persönliches Vermögen'.

makro: Deutschland ist ein dicht besiedeltes Land und dennoch steht im deutschen Wald mehr Holz als in jedem anderen Land der EU. Was macht den deutschen Wald so leistungsfähig?

Albrecht Bemmann: Für das Wachstum von Bäumen sind die Standortbedingungen Boden (u.a. Lehm, Sand), Klima (Wasserverfügbarkeit, Temperatur) und die Lage (Tiefland, Berge) wichtig. In weiten Teilen Deutschlands sind diese Bedingungen für ein Baumwachstum optimal.

Deshalb stockt in Deutschlands Wäldern pro Hektar eine etwa dreimal so große Holzmenge wie z.B. in Schweden, Finnland, Kanada oder Russland mit ungünstigeren Wuchsbedingungen. Ein wesentliches weiteres Element für diesen guten Waldzustand ist die von vielen Waldeigentümern seit etwa 200 Jahren praktizierte nachhaltige Waldwirtschaft.

Das Interview führte Eva Schmidt.

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