Symbolbild: Blatt einer Pflanze, auf das mittels graphischer Bearbeitung sowohl nachhaltiges als auch umweltzerstörendes Wirtschaften projiziert ist.

Gesellschaft

"Unternehmen betreiben vielfach Greenwashing"

Die Klimakrise erfordert gesellschaftliches Umdenken. Inwiefern wir auch über einen neuen Wachstumsbegriff nachdenken sollten, darüber sprach makro-Moderatorin Eva Schmidt mit Ulrich Petschow.

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makro: Konsumverzicht ist gerade sehr en vogue. Kein Fleisch, kein Plastik. Steckt dahinter mehr als eine neue Modemasche unserer Wohlstandsgesellschaft?

Ulrich Petschow: Ja, denn es handelt sich zwar auch um eine Lifestyle-Debatte, aber diese Lifestyle-Debatte bringt Themen in die öffentliche Diskussion, die sonst wenig beachtet werden. Das wiederum eröffnet Handlungsspielräume für eine neue Umwelt- und Gesundheitspolitik.

Bleiben wir bei dem Beispiel Fleisch: Die Umweltwirkungen des Fleischverzehrs werden aktuell durch die brennenden Regenwälder deutlich, bei denen es auch um Landgewinnung für den Sojaanbau geht. Soja ist ein großer Bestandteil unseres Tierfutters. Insofern ist der Fleischverzicht - selbst wenn er nur eine Symbolhandlung ist - ein wichtiges politisches Zeichen.

Zur Person

  • Der Nachhaltigkeitsforscher Ulrich Petschow

    Nachhaltigkeitsforscher, IÖW

makro: Wirtschaftswachstum war bislang immer unausweichlich mit Ressourcenverbrauch und Umweltzerstörung verbunden. Halten Sie diese Beziehung für überwindbar?

Ulrich Petschow: Für die Vergangenheit bis in die Gegenwart hinein lässt sich eine enge Verbindung von Wirtschaftswachstum und Treibhausgasemissionen nachweisen. Um das zu verändern, ist ein umweltpolitischer Rahmen erforderlich, durch den die Preise eine "ökologische Wahrheit" ausdrücken sollten.

Länder wie bspw. Schweden gehen systematisch diesen Weg und versehen die Kohlendioxidemissionen mit einem Preis. Es zeigt sich, dass die die CO2-Emissionen bei stetigem Wirtschaftswachstum deutlich abgenommen haben. Allerdings ist das noch keine Entwarnung: Der Umfang der Emissionsreduktion ist so groß, dass es gegenwärtig offen ist, ob derart weitreichende CO2-Reduktionen mit weiterem Wirtschaftswachstum vereinbar sind.

makro: Viele Textilfirmen werben mit Kleidung aus recyceltem Material. Gleichzeitig aber bringen sie alle paar Wochen neue Kollektionen heraus, und die Tragezeit der Textilien hat sich in den vergangenen 15 Jahren halbiert. Ist das nicht Augenwischerei?

Ulrich Petschow: Unternehmen betreiben vielfach "Greenwashing". So hat die Ölfirma British Petroleum (BP) Ende der 90er Jahre die Buchstaben BP als "beyond petroleum" interpretiert, um damit deutlich zu machen, dass sie die Zeichen des Klimawandels erkannt haben und den Umstieg auf Erneuerbare Energien systematisch einleiten.

In der Praxis spielen Erneuerbare bei BP aber weiterhin eine sehr untergeordnete Rolle, und die Erschließung von Ölquellen (auch die besonders schmutzigen Ölsande in Kanada) bestimmt weiterhin die Unternehmensstrategie. Insofern muss immer geprüft werden, ob den grünen Ankündigungen der Unternehmen wirklich glaubhafte und verifizierbare Maßnahmen gegenüberstehen.

Dieser kritische Blick gilt dann auch den Ankündigungen der Textilunternehmen: Handelt es sich bei den Recyclingversprechen um ein kleines Teilsegment, also ein Feigenblatt, und der Rest des Geschäfts läuft weiter wie bisher mit einem immensen Ressourcenverbrauch? Oder handelt es sich um eine glaubhafte Strategie, die auch überprüfbar ist?

makro: Mit der Finanzkrise schwand das Vertrauen vieler Menschen in die freien Märkte. Viel ist zurzeit von "alternativen Wirtschaftsformen" die Rede. Haben denn einige davon tatsächlich eine Chance?

Ulrich Petschow: Es ist zutreffend, dass die "freien" Märkte zunehmend in der Kritik stehen. Zugleich ist aber auch die Politik vielfach nicht in der Lage, die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen. In dieser Situation können gemeinwohlorientierte Unternehmen eine wichtige Vorreiterrolle spielen und Alternative Wirtschaftsformen voranbringen, deren Ziel es nicht mehr ist, ausschließlich die Rendite zu maximieren.

Wir sehen momentan im Wohnungsbau, dass Genossenschaften andere und vielfach nachhaltigere Strategien verfolgen als die kapitalmarktgetriebenen Unternehmen. Bei Genossenschaften spielen Selbsthilfe und soziale Verantwortung eine wichtigere Rolle. "Alternative Wirtschaftsformen" bilden sich aber auch in anderen Bereichen heraus, wie bei der landwirtschaftlichen Direktvermarktung und bei Initiativen wie repair cafés und fab labs, die neue Wege der Reparatur und Produktion ausloten.

Das Interview führte Eva Schmidt.

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