Gesellschaft

Biotechnologie: Deutschland könnte es besser

Der Corona-Impfstoff rückt die Biotechnologie ins Rampenlicht. Leider, klagt Branchenexperte Siegfried Bialojan, hakt es oft auf dem Weg von der Forschung zum fertigen Produkt.

Datum:
Verfügbar
weltweit
Verfügbar bis:
bis 01.12.2025

makro: Bei der Entwicklung eines Corona-Impfstoffes stehen mit BioNTech, Moderna und CureVac gleich drei Biotechnologiefirmen in der ersten Reihe. Ist das Zufall oder sagt es etwas über die Stärke der Technologie?

Siegfried Bialojan: Dies untermauert in der Tat das Potenzial, das in der Biotechnologie steckt. Die Pharmaindustrie setzt schon seit über zwanzig Jahren auf Biotechnologie bei Forschung und Entwicklung neuer Therapeutika. Leider war dies bisher der breiten Bevölkerung nicht sehr bewusst; die aktuelle Entwicklung untermauert die Bedeutung der Biotechnologie sehr eindrucksvoll.

makro: Die deutschen Biotech-Firmen BioNTech und CureVac haben für ihren Börsengang die amerikanische Technologiebörse Nasdaq gewählt. Kein Einzelfall. Warum gehen so viele Start-ups in die USA, wenn sie durchstarten wollen?

Bialojan: Dies hat mehrere nachvollziehbare Gründe: Am US Kapitalmarkt haben die Investoren und Analysten deutlich mehr Erfahrung in diesem Sektor. Dann ist dort auch deutlich mehr Kapital bei einem Börsengang einzunehmen und schließlich erhalten Unternehmen bei einem US-Börsengang auch größere Sichtbarkeit im amerikanischen Markt, der gerade für Therapeutika-Entwickler der global bedeutendste Markt ist.

Im Vergleich dazu wurden in Europa und auch in Deutschland die Spezialisten in den letzten Jahren eher abgebaut, so dass die Erfahrung in diesem Bereich fehlt.

Zur Person

  • Dr. Siegfried Bialojan lächelt in die Kamera

    Leiter Life Sciences Center, EY

makro: Sie beschreiben Biotechnologie als weltweiten Innovationsmotor, der in Deutschland leider trotz exzellenter Forschung zu wenig PS auf die Straße - sprich: in die Anwendung - bringt. Wo liegt das Problem?

Bialojan: Hier spielen politische Rahmenbedingungen eine Rolle. Zwar erzeugt eine breite Förderung der Forschung enormes Innovationspotenzial, gleichzeitig aber ist die aus volkswirtschaftlicher Sicht so wichtige Förderung der kommerziellen Weiterentwicklung unzureichend.

Dies drückt sich vor allem darin aus, dass es keine (z.B. steuerliche) Anreize zugunsten des Eigenkapitals gibt, das für die Innovationsfinanzierung so wichtig wäre. Weiterhin fehlt eine professionelle Unterstützung junger gründungswilliger Forscher, um ihre innovativen Ideen möglichst effektiv voranzubringen.

Gleichzeitig existiert in Deutschland ein eher risikoscheues "Mindset", wo sowohl Entrepreneure als auch Investoren eher auf Sicherheit setzen. Auch hier könnten die erwähnten Anreize Abhilfe schaffen.

makro: Für Fintechs - junge Firmen in der Finanzbranche - gibt es regelrechte Startup-Inkubatoren. Gibt es das in der Biotech-Branche auch - und macht so etwas Sinn?

Bialojan: Dies macht absolut Sinn. Es gibt einige Initiativen in Deutschland, wo man insbesondere attraktive wissenschaftliche Ideen identifiziert und diese professionell voranbringt, sie also auf eine kommerzielle Entwicklung vorbereitet. Dies geschieht beispielsweise im Lead Discovery Center in Dortmund.

Was sicherlich fehlt - und hier sind vor allem die USA wieder ein Vorbild - ist die professionelle "Translationsunterstützung" gerade auch für neugegründete Startups. Eine aktuelle Initiative in Heidelberg verfolgt hierfür die Etablierung des erfolgreichsten US-Biotech-Inkubators "Biolabs" in Deutschland.

makro: Denken wir einmal groß. Wo könnte der Einsatz von Biotechnologie unser Leben am nachhaltigsten verändern?

Bialojan: Eine sehr wichtige Frage: Die Möglichkeiten der Biotechnologie beschränken sich bei weitem nicht nur auf die Medizin, wo neben den Therapeutika-Entwicklungen auch durch modernes "Tissue Engineering" künstliche Organe aus Zellkultur das Problem der Spenderorganknappheit lösen könnten.

Biotechnologische Lösungen sehen wir vor allem auch mit Bezug auf die ebenfalls hochaktuellen Umwelt- und Klimadebatten: Was wäre, wenn mit biotechnologisch optimierten Mikroorganismen Mikroplastik biologisch abgebaut werden könnte? Oder wenn ebenfalls Mikroorganismen in Zukunft CO2 aus Industrieabgasen in Biomasse umwandeln könnten?

Auch im Bereich der Ernährung könnte der steigende Fleischbedarf einer wachsenden Weltbevölkerung durch die Entwicklung von "Artificial Meat" mit Hilfe moderner Zellkulturtechnik - zusätzlich deutlich umweltschonender - gedeckt werden.

Schließlich wird auch an Biotechnologie-Lösungen zur Herstellung von Wasserstoff gearbeitet - ein wichtiger Beitrag zur Energieversorgung in der Zukunft.

Wenngleich dies alles noch sehr visionär klingt, so sind alle diese Beispiele in aktiver Bearbeitung und mit den dynamisch zunehmenden technischen Möglichkeiten werden sie mit höherer Wahrscheinlichkeit und Geschwindigkeit Realität werden.

Das Interview führte Carsten Meyer.

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