Gesellschaft
KI: "Von 'Verschlafen' kann keine Rede sein"
Künstliche Intelligenz werde unsere Arbeitswelt umkrempeln, heißt es. Das Wirtschaftsmagazin makro sprach mit der Robotik-Forscherin Ruth Stock-Homburg, die sich genau damit beschäftigt.
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Dass der Einsatz von künstlicher Intelligenz und Robotik wirtschaftliche Prozesse optimiert und den Arbeitsmarkt verändert, ist Allgemeingut. Was dies aber konkret bedeutet, bleibt meist im Ungefähren. Robotik-Forscherin Prof. Ruth Stock-Homburg sagt, nachdem sich Produktionsprozesse in der Industrie bereits stark verändert haben, sei nun der Dienstleistungssektor an der Reihe: "In etwa zehn Jahren werden wir Roboter verstärkt in unseren Büros sehen." Überdies steht die allgemeine Sorge im Raum, ob KI in Zukunft von den großen Technologienationen USA und China dominiert wird - und ob Deutschland hier noch mithalten kann.
makro: Besteht die Gefahr, dass Deutschland die Entwicklung in der künstlichen Intelligenz verschläft?
Ruth Stock-Homburg: Bei KI sollte man definitiv nicht nach dem Motto "viel hilft viel" verfahren. Gerade bei solchen Technologien geht es vielmehr darum, diese verantwortungsbewusst einzusetzen statt einen Geschwindigkeitswettbewerb zu veranstalten . KI soll Menschen nicht ersetzen, sondern Menschen unterstützen und voranbringen.
Wie dies genau erfolgen kann, ist bislang nicht hinreichend klar. Diese Aspekte werden gerade sehr intensiv in Deutschland diskutiert, auf Bundes- und auf Landesebene. Gerade Hessen ist hier sicherlich Vorreiter und von "Verschlafen" kann keine Rede sein.
Zur Person
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Robotik- und Arbeitswelt-Forscherin
makro: Was bringen KI und die neue Robotertechnologie der Wirtschaft? Was können sie, was können sie nicht?
Stock-Homburg: Im Produktionsbereich haben Roboter zu erheblichen Einsparungen von Kosten und zu Qualitätssteigerungen geführt. Ähnliche Effekte werden nun auch im Dienstleistungssektor erwartet. Hier werden Roboter zukünftig verstärkt an Informationsschaltern, im Verkauf oder im Service eingesetzt werden.
makro: Kommen wir zu den Arbeitnehmern. Wie wird sich unsere tägliche Arbeit verändern?
Stock-Homburg: In etwa zehn Jahren werden wir Roboter verstärkt in unseren Büros sehen, als Assistenten. Eine Umfrage des "leap in time Lab" in den USA und in Deutschland ergab, dass sich Menschen dies durchaus auch vorstellen können. Als Kollege oder Chef werden Roboter allerdings nicht gesehen.
makro: Wie viele Arbeitsplätze stehen dadurch auf dem Spiel?
Stock-Homburg: Hierzu gibt es unterschiedliche Szenarien. Es gibt Prognosen, wonach rund 50 Prozent der Arbeitsplätze, wie wir sie heute kennen, wegfallen werden. Dies sind insbesondere standardisierte Jobs, wie z. B. an Informationsschaltern, beim Check-in oder in Restaurants. Andere Studien halten dagegen, dass zahlreiche neue Jobs entstehen werden - und zwar mehr als wegfallen werden.
Aussichtsreiche Berufe liegen beispielsweise in den Bereichen Daten- und Internetrecht, Robotikwartung, Drohnenkonstruktion und -koordination. Es liegt allerdings in der Hand von Unternehmen, frühzeitig neue Jobs zu identifizieren und die Mitarbeiter darauf vorzubereiten.
makro: Welche Ressourcen- und Umweltprobleme bringt die Digitalisierung mit sich?
Stock-Homburg: Digitalisierung bringt einige positive Effekte für die Umwelt mit sich: E-Commerce, Telearbeit und Videokonferenzen reduzieren den Personen- und Warenverkehr, senken den Erdölverbrauch und den Ausstoß von Treibhausgasen. Drahtlose Sensoren und Überwachungstechnologien optimieren das Energiemanagement in unseren Gebäuden.
Aber es gibt auch die andere Seite: Da unsere Abhängigkeit von Informations- und Kommunikationstechnik schnell wächst, steigt auch unser Bedarf an Energie für die Herstellung der Hardware und an Strom für den Betrieb der Geräte exponentiell an. Schätzungen zufolge wird der Anteil bis 2040 um das Zehnfache des heutigen Bedarfs steigen.
Das Interview führte Jürgen Natusch.