Gesellschaft
Homeoffice: "Alle müssen sich bewegen"
Unter Corona hat sich unsere Art zu arbeiten radikal gewandelt. Ein Zurück werde es nicht geben, sagt Expertin Josephine Hofmann im Interview mit dem Wirtschaftsmagazin makro.
- Datum:
makro: Die Corona-Pandemie hat nicht nur viele Mitarbeiter ins Homeoffice verbannt, sondern insgesamt die Arbeitswelt in die Zukunft katapultiert. Kann man sagen wie weit?
Josephine Hofmann: Ein deutliches Stück in Richtung hybrider Arbeitswelten. In denen (Zusammen-)Arbeit in Präsenz deutlich selbstverständlicher und umfänglicher durch virtuelle Formate der Kommunikation und Begegnung realisiert werden. Ich persönlich gehe auch davon aus, dass Dienstreisen in Zukunft deutlich selektiver und überlegter durchgeführt werden. Ein echter Nachhaltigkeitsbeitrag!
Live bei makro
-
Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation
makro: Unternehmen bewerten die nun praktizierten flexiblen Arbeitsmodelle ganz unterschiedlich: Von immer-schon-dafür bis immer-noch-dagegen ist alles dabei. Wo laufen die Konfliktlinien, was sind die Argumente?
Hofmann: Diese Schwarz-Weiß-Positionen entsprechen den irrealen Bildern von "keiner im Homeoffice" - "alle im Home Office". Wie immer liegt die Realität des Machbaren und Wünschenswerten irgendwo dazwischen.
Konfliktlinien sehe ich bei Fragen eines grundsätzlichen Anspruchs auf Homeoffice, des Umfangs und der Finanzierung der hierfür erforderlichen Ausstattung, Befürchtungen in Bezug auf schlechtere Führbarkeit, mangelnde Teamintegration, sinkende Produktivität und Entgrenzung.
Die Realität zeigt: All das ist gut gestaltbar. Die Produktivität muss keineswegs leiden, im Gegenteil. Aber klar ist auch: Eine Flexibilisierung von Arbeitsort und –zeit hat technische, organisatorische und führungsseitige Voraussetzungen.
Alle müssen sich bewegen, haben aber auch viel zu gewinnen: Flexibilität, Vereinbarkeit, Nachhaltigkeit, Reaktionsfähigkeit. Wenn die Krise eines gezeigt hat, dann, dass Homeoffice nicht nur ein Wohlfühlthema für Einzelne ist, sondern einen Beitrag zur Krisenresilienz leistet.
makro: Sorgt der Zwang zum dezentralen, vernetzten Arbeiten vielleicht sogar für einen Innovationsschub, der in einer vernetzten Welt perspektivisch von Vorteil ist?
Hofmann: Absolut. Wir alle haben in den letzten zehn Monaten einen unfassbaren Schub in Bezug auf Digitalisierung, Medienkompetenzen und Selbstorganisationsfähigkeit erlebt. Vieles musste schnell und vor Ort entschieden werden. Die erweiterte Verantwortlichkeit und das dazu erforderliche Vertrauen wurden durchaus auch als motivierend erlebt.
makro: Ein Jahr Crash-Digitalisierung und Homeoffice schafft Fakten. Wollen wir am Ende überhaupt zurück?
Hofmann: Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Wir haben zuviel gelernt, was machbar ist, welche Vorteile es hat. Aber wir haben auch Dinge wieder schätzen gelernt, die vorher eventuell etwas aus dem Blick geraten waren. Die gute Kantine. Die zufällige Begegnung auf dem Gang. Das Eintauchen ins betriebliche Geschehen. Wenn wir das bei dieser Gelegenheit wieder mehr schätzen gelernt haben, ist das ein zusätzlicher Gewinn.
Das Interview führte Carsten Meyer.