graue Betonwand

Gesellschaft

Grüner Beton?

Ressourcenverschlingender Klimakiller - der Baustoff Beton steht in der Kritik. Dabei geht es auch anders, verrät die Forscherin Angelika Mettke im Interview mit dem 3sat-Wirtschaftsmagazin makro.

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makro: Es wird gebaut wie noch nie, besonders in den Schwellenländern. Geht uns der Beton aus?

Angelika Mettke: Es ist richtig, dass sich Beton weltweit zum wichtigsten Baustoff entwickelt hat. Mehrere Milliarden Kubikmeter werden jährlich verbaut. Beispielsweise wurde im Zeitraum 2011 bis 2013 in China mehr Beton verbaut als in den USA im gesamten 20. Jahrhundert.

Zurückzuführen ist dies auf die hervorragenden Eigenschaften, die der Beton, der heute als hochtechnisierter Baustoff produziert wird, aufweist. Beton ist beliebig formbar, weist gute bauphysikalische Merkmale auf, ist durch Langlebigkeit und Dauerhaftigkeit gekennzeichnet. Zudem ist Beton recycelbar; eine unter Nachhaltigkeitsaspekten wichtige Eigenschaft.

"Ausgehen" wird uns der Beton in naher Zukunft nicht. Aber - und das ist entscheidend: Beton enthält Rohstoffe, die endlich sind und nicht nachwachsen. Dazu zählen die feinen und groben Gesteinskörnungen (Sand, Kies oder Splitt) und wichtige Grundstoffe, die zur Zementherstellung benötigt werden wie Kalkstein, Ton oder deren in der Natur vorkommendes Gemisch Kalkmergel.

Lokal existieren heute bereits Engpässe an Sanden und Gesteinskörnungen bestimmter Korngrößen, die zur Betonherstellung benötigt werden. So werden nach Aussagen von Betonproduzenten Gesteinskörnungen aus Skandinavien importiert, beispielsweise für Transportbetonwerke mit Sitz in Norddeutschland wie Hamburg und Bremen. Im Freistaat Bayern werden z.B. Sande aus Kroatien importiert.

Zur Person

  • Prof. Dr. Angelika Mettke, Portraitaufnahme

    Expertin für bauliches Recycling

makro: Zement gilt als Klimakiller. 8 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen entstehen in der Zementherstellung. Warum ist das so? Und lässt es sich reduzieren?

Angelika Mettke: Das eigentliche Problem des Betons hinsichtlich der unerwünschten CO2-Emissionen ist in der Tat der Zement. Weltweit werden gegenwärtig ca. 4,65 Mrd. Tonnen Zement verbraucht. Prognosen zufolge wird die Produktion bis 2050 um 12 bis 23 Prozent im Vergleich zum Jahr 2014 steigen.

Die hohen CO2-Emissionen sind einerseits auf den hohen Brennstoffverbrauch für den Brennvorgang, also sehr hohe energiebedingte Emissionen zurückzuführen und andererseits auf den Herstellungsprozess des Zementes.

Für Deutschland wird ein durchschnittliches Treibhausgaspotenzial in Höhe von 587 kg pro Tonne Zement angegeben. Etwa zwei Drittel des emittierten CO2 resultieren dabei aus dem Brenn- und Mahlprozess, ein Drittel aus dem eingesetzten Brennstoff.

Der Beton bzw. der darin enthaltene Zement hat in der öffentlichen Diskussion meiner Meinung nach zu Unrecht ein schlechtes Image, denn die Zementindustrie forscht seit Jahren intensiv daran, den Zement und damit den Beton klimafreundlicher zu machen. Positive Ergebnisse sind nachweisbar. Zum einen kommen bei der Herstellung des Zementklinkers alternative Brennstoffe mit hohem Biomasseanteil zum Einsatz wie Altreifen, Altöle, Gewerbe- und Siedlungsabfälle oder Altholz.

Zum anderen werden klinkereffiziente Zemente entwickelt, um den CO2-Ausstoß bei der Herstellung zu verringern. Dazu zählen z.B. der Einsatz von Brechsanden, welche bei der Aufbereitung von Bauschutt anfallen, als anteiliger Ausgangsstoff im Rohstoffgemisch, und neue hydraulische Bindemittel wie beispielsweise Celitement, entwickelt am Karlsruher Institut für Technologie.

Durch den geringeren Einsatz von Kalkstein und die geringeren Temperaturen lassen sich Energie und CO2-Emissionen einsparen.

makro: Es wird viel abgerissen und noch mehr neu gebaut. Da stellt sich die Frage nach der Wiederverwendung. Warum wird bei Baumaterialien nicht mehr recycelt?

Angelika Mettke: Von den im Jahr 2016 in Deutschland insgesamt 214,6 Mio. Tonnen angefallenen mineralischen Bauabfällen wurden 72,2 Mio. Tonnen Recycling-Baustoffe hergestellt, dies entspricht einer stofflichen Verwertungsquote von 33,6 Prozent.

In Deutschland fällt Bauschutt in Größenordnungen zwischen 55 bis 60 Mio. Tonnen jährlich an. Im Jahr 2016 wurden von den 58,5 Mio. Tonnen Bauschutt 45,5 Mio. Tonnen (77,7%) in Recyclinganlagen zu Recycling-Baustoffen aufbereitet.

Die insgesamt erzeugten 72,2 Mio. Tonnen Recycling-Baustoffe wurden zu etwa 75% im Straßen- und Erdbau eingesetzt, in die Asphalt- und Betonherstellung gingen etwa 21%.

Diese Zahlen belegen, dass das vorhandene Recycling-Potential an Baustoffen nicht ausgeschöpft wird. Hierfür gibt es mehrere Ursachen: Imageprobleme oder Qualitätszweifel; die beteiligten Akteure haben keine Informationen, wenig Erfahrungen oder es fehlt die Nachfrage nach Recycling-Baustoffen.

Hier müsste die öffentliche Hand ihrer Vorbildwirkung bei Beschaffungsmaßnahmen besser nachkommen. Immerhin wurden im Jahr 2017 Bauaufträge in Summe von rund 7,9 Mrd. Euro vergeben.

Hinzu kommt: Vom Recycling-Baustoff wird erwartet, dass er preislich wesentlich günstiger ist als der Baustoff aus der Natur. Das ist jedoch meist nicht der Fall. Verkannt wird vielfach auch, dass rezyklierte mineralische Baustoffe intensiver geprüft sind als natürliche Rohstoffe, wodurch u.a. auch höhere finanzielle Aufwendungen für den Baustoffproduzenten entstehen.

makro: Kann man abschätzen, wie viel Energie und Ressourcen sich durch Recycling einsparen ließen?

Angelika Mettke: Pauschal lässt sich dies schwer sagen, da bei jeder Baumaßnahme, bei der Recycling-Baustoffe eingesetzt werden, die lokalen Rahmenbedingungen maßgebend sind. Dies ist von der Art und Weise der Gewinnung von Sand und Kies bzw. der Aufbereitung von Recycling-Baustoffen abhängig. Außerdem ist die Transportentfernung der Rohstoffe vom Aufbereitungsort zum Betonwerk entscheidend.

Ergebnisse unserer wissenschaftlich begleiteten Untersuchung beispielsweise zum Bau der Umweltstation Würzburg zeigen, dass der Abbau einer Tonne Kies rund 1,8 kg Treibhausgase mehr emittiert als die Herstellung einer Tonne rezyklierter Gesteinskörnung. Vor diesem Hintergrund wird empfohlen, in städtischen Ballungsgebieten das Potential an Recycling-Baustoffen unbedingt auszuschöpfen.

makro: Sie forschen an Möglichkeiten, Beton nicht bloß zu schreddern, sondern Elemente als Ganzes wiederzuverwenden. Worin besteht der Vorteil? Gibt es Anwendungsbeispiele?

Angelika Mettke: Es geht um die Erhaltung von Wertschöpfung. So sparen gebrauchte Betonbauteile im Vergleich zu neuen Betonbauteilen 95% Energie ein. Die energetisch bedingten Emissionen können im Vergleich zur Neuherstellung von einer Tonne Betonbauteil um 97% vermindert werden. Anstelle von 394 kg pro Tonne werden nur noch 12 kg pro Tonne CO2-Emissionen freigesetzt.

Außerdem werden natürliche Ressourcen geschont: Für die Herstellung einer Tonne Stahlbeton bräuchte man sonst sechs Tonnen Naturrohstoffe. Und schließlich lässt sich durch die Wiederverwendung von Betonbauteilen Geld sparen: Im Allgemeinen stellt sich ein Kostenvorteil für den Rohbau in Höhe von 10 bis 30% ein. Sowohl der ökologische als auch der ökonomische Vorteil bei der Wiederverwendung von Betonbauteilen ist also nicht von der Hand zu weisen.

Gebrauchte Betonelemente sind auf vielfältige Weise nachnutzbar: beispielsweise zum Bau von Einfamilien-, Doppel- und Reihenhäusern oder Vereinshäusern, Garagen, Carports, Erdkellern, in Lärmschutzwällen, als gestalterische Elemente im Landschafts- und Parkanlagenbau, im Deichbau oder für Silos in der Landwirtschaft.

Vor dem Hintergrund, Energie und Ressourcen zu sparen, ist die Wiederverwendung von Betonelementen eine wirksame und sinnvolle Alternative beziehungsweise ergänzende Lösung zum herkömmlichen Bauen. Um die hier genannten Vorteile zu nutzen, sollte dem modularen Bauen mit Betonelementen wieder der Vorzug gegeben werden gegenüber den derzeitig überwiegend in Massivbauweise hergestellten Betonbauten.

Das Interview führte Carsten Meyer.

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