Gesellschaft
Energiekrise: Wie Stromausfall in China die Welt ausbremst
Wenn ich China Fabriken schließen, weil der Strom knapp ist, so schlägt das weltweit Wellen. Denn aus diesen Fabriken kommt wichtige Elektronik. Oder eben nicht.
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Von Carsten Meyer
Spritpreise, Heizöl, Erdgas - die Kosten für fossile Energieträger legen gerade kräftig zu und sorgen hierzulande für einige Aufregung. Doch das ist nichts im Vergleich zu dem, was in China los ist. Dort stehen wegen Strommangels ganze Fabriken still und immer wieder sitzen die Leute im Dunkeln. Die Versorgungsengpässe sind ein Grund, weshalb die soeben veröffentlichten Zahlen zum Wirtschaftswachstum im Septemberquartal mit 4,9 Prozent für chinesische Verhältnisse ausgesprochen mau ausfielen.
Schon Mitte August ging es los, dass der Strom knapp wurde. 20 Provinzen verwalten seither den Mangel, was zu wiederholten Stromabschaltungen führt und der generellen Aufforderung an die Bevölkerung, doch bitte Energie zu sparen. Betroffen sind auch die wichtigen industriellen Zentren im Nordosten und Süden des Landes.
Fabriken drosseln Produktion
Die energieintensive Produktion von Stahl, Aluminium und Zement und in der Folge Infrastrukturprojekte seien von den Stromausfällen und Lieferbeschränkungen unmittelbar betroffen, beobachten die Analysten von Morgan Stanley. Und auch Schlüsselbranchen in der für China so wichtigen Hightech-Industrie kommen nicht ungeschoren davon. Die Krux in unserer vernetzten Welt: Das Problem bleibt nicht in China.
"Wenn sich Stromknappheit und Produktionseinschränkungen fortsetzen, könnten sie sich zu einem weiteren Störfaktor für globale Lieferketten ausweiten", beschreibt Louis Kuijs, Senior Asia Economist bei Oxford Economics, die Ansteckungsgefahr für den Rest der Welt.
Die Probleme sind hausgemacht
Die Malaise hat im Kern zwei Ursachen, beide sind hausgemacht. Zum einen ist da der Streit mit Australien. Australien ist einer der wichtigsten Kohlelieferanten Chinas, den Machthabern in Peking aber in vielen Dingen ein Dorn im Auge. Zur Strafe verzögerte China die Importe australischer Kohle. Das rächt sich nun: Kohle ist knapp, die Preise steigen. Die Strompreise hingegen sind staatlich gedeckelt, weshalb Chinas Kohlekraftwerke rote Zahlen schreiben und von Betreibern teils vom Netz genommen werden. Also: Strom ist knapp.
Der zweite Grund sind die ehrgeizigen Klimaschutzziele Chinas. Zwar steht Kohle heute noch für den Löwenanteil der Primärenergieerzeugung, aber bereits 2030 soll "Peak CO2" erreicht sein und bis 2060, so hat es Präsident Xi Jinping versprochen, wolle man klimaneutral werden. Zweifel daran sind erlaubt, aber im Gegensatz zu vielen anderen Industrieländern hat China seinen Dekarbonisierungspfad relativ konkret ausbuchstabiert. Die Folge sind Emissionsvorgaben, die einzelne Provinzen notfalls mit Drosselung oder Abschaltung umsetzen. Also: Bänder stehen still.
Elektronik, Elektronik, Elektronik
Besonders heikel ist das bei der Fertigung von Hightech-Produkten, denn die stecken in fast allem, was unseren Alltag ausmacht. China ist - man kann es nicht genug betonen - der Produktion von Billigspielzeug längst entwachsen und heute der größte Produzent von Elektronikartikeln wie Smartphones oder Spielekonsolen und aus Halbleiterindustrie, Optoelektronik oder der Zulieferbranche für E-Autos nicht mehr wegzudenken.
Wenn Firmen wie Pegatron, ein wichtiger Partner für Apple, seine Fertigung in den Energiesparmodus versetzen muss, ASE Technology, der weltgrößte Chip Packager, seine Produktion für mehrere Tage unterbricht oder Eson Precision Engineering, ein Zulieferer für Tesla, zum Produktionsstop gezwungen wird, dann ist klar: Das hat Auswirkungen auf weltweite Lieferketten - bis nach Deutschland.
Lieferengpässe und Preiserhöhungen
So wundert es nicht, dass Stefan Gätzner, China-Repräsentant des Bundesverbands der Deutschen Industrie Preiserhöhungen und Lieferengpässe befürchtet. Man denke nur an den ohnehin schon bestehenden Chip-Mangel in deutschen - und nicht nur deutschen - Autofabriken.
Die weltweite Energieknappheit führt also nicht nur zu hohen Preisen an der Tankstelle, sondern - im unseligen Zusammenspiel mit den Konvulsionen der Corona-Pandemie - zu weniger verkauften Autos. Und vielleicht zu weniger iPhones unterm Weihnachtsbaum.