Eine Südafrikanerin mit Mund-Nasen-Schutz bietet Obst im Straßenverkauf feil

Gesellschaft

Corona: Afrikas stille Rezession

Man könnte denken, dass Afrika - seit jeher am Katzentisch der Weltwirtschaft - von den ökonomischen Auswirkungen der globalen Corona-Rezession verschont bliebe. Ein Irrtum.

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Von Carsten Meyer

Während die Zahl der Corona-Infektionen weltweit die 15 Millionen überschritten hat und die täglichen Neuinfektionen Rekorde erreichen, scheint Afrika mit aktuell gut 750.000 festgestellten Infektionen relatives Glück zu haben.

Was Afrikas Wirtschaft angeht, kann davon keine Rede sein. Sie folgt dem Rest der Welt in die Rezession. Und zwar so offensichtlich, dass die African Development Bank (ADB), eine internationale Entwicklungsorganisation, ihren im Januar veröffentlichten African Economic Outlook gründlich überarbeiten musste.

Der Rohstoff-Fluch

In ihrem Basis-Szenario gehen die Experten von einer raschen Überwindung der Pandemie mit beginnender Erholung im zweiten Halbjahr 2020 aus. Die Folge: Afrikas Wirtschaft schrumpft um 1,7%. Hält die Pandemie die Wirtschaft länger im Würgegriff, könnte sie um 3,4% schrumpfen. Im Januar war die ADB noch von einem 3,9-prozentigen Wachstum ausgegangen. Zum Vergleich: Die gesamte Wirtschaftsleistung des afrikanischen Kontinents liegt mit 2,5 Billionen Dollar bei etwa zwei Dritteln der deutschen.

Besonders betroffen sind u.a. jene Länder, die stark vom Rohstoffexport abhängig sind. Und davon gibt es in Afrika viele. Da sind die klassischen Ölförderländer Nigeria, Algerien oder Angola. Neben dem Öl sind auch die Preise vieler anderer Rohstoffe infolge der globalen Rezession im Keller - schlecht für Länder wie Botswana (Diamanten) oder Südafrika (Kohle). Besonders hart trifft die Pandemie jene Staaten, in denen viele Menschen vom Tourismus leben. Hier rechnet die African Development Bank mit teils zweistelligen Einbrüchen.

In der Schuldenfalle

Wie in Europa auch versuchen die Staaten Afrikas sich mit Hilfspaketen gegen die Rezession zu stemmen. Das Problem dabei: Es fehlt an Geld. So könnten sich die ohnehin hohen Haushaltsdefizite auf rund 8% verdoppeln. Besonders kritisch ist dies angesichts teils hoher Schuldenstände.

Hier lauert laut ADB ein weiteres Risiko: Die Abhängigkeit von ausländischem Kapital ist in den letzten zehn Jahren gestiegen. Daher stammt ein wachsender Teil der Verschuldung vom internationalen Kapitalmarkt, z.B. Anleihen in Dollar oder Euro. Diese wiederum sind eine schwere Bürde, wenn die eigene Währung abstürzt - wie in Angola, Sambia oder Südafrika.

Heute geben afrikanische Länder etwa ein Viertel ihrer Haushaltseinnahmen aus, um ihren Schuldendienst zu bezahlen, sagt Prof. Robert Kappel vom Institut für Afrikastudien der Universität Leipzig. D.h., sie geben für Schuldendienst und Tilgung mehr Geld aus als für Investitionen in Bildung und Gesundheitsversorgung. "Die Pandemie verschärft die Situation dramatisch", betont Kappel und schlägt ein 12-monatiges Schuldenmoratorium vor. "Dies würde beträchtliche Ressourcen freisetzen, um einige der unmittelbarsten Kosten der COVID-19-Krise zu decken."

Exil-Afrikaner verlieren ihre Jobs

Die wichtigste Quelle für ausländisches Kapital sind - noch vor Auslandsdirektinvestitionen und Entwicklungshilfe - die Rücküberweisungen von Exil-Afrikanern in ihre Heimatländer. Die Summen steigen seit vielen Jahren. 2019 waren es 86,2 Mrd. Dollar - Folge von globalem Wirtschaftswachstum und Migration. In einigen afrikanischen Ländern machen diese Überweisungen heute mehr als 10% der Wirtschaftsleistung aus.

Die Gelder aber versiegen in dem Maße, wie Migranten ihre Jobs verlieren. Und migrantische Billigjobber sind üblicherweise die ersten, die in einer Krise auf der Straße stehen. Dies könnte viele Afrikaner treffen, die in afrikanischen Nachbarländern, in Westeuropa, den USA, den Golfstaaten oder China Arbeit gefunden haben.

"Einkommensschwache und fragile Länder werden stark betroffen sein, da sie von dieser Finanzquelle besonders abhängig sind", sagt Afrika-Experte Kappel. Fachleute rechnen damit, dass sich die Rücküberweisungen der afrikanischen Diaspora in den Jahren 2020 und auch 2021 auf 40 Mrd. Dollar halbieren könnten.

Die Annahme, dass wenigstens Afrikas Wirtschaft einigermaßen glimpflich aus der Corona-Pandemie herauskommt - wenig entwickelt und abseits der großen Handelsrouten - ist naiv. Globalisierung ist überall.

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