Gesellschaft
37°: Gewalt in den Familien
Laut einer Studie des Bundesfamilienministeriums wird etwa jede vierte Frau mindestens einmal Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt durch ihren aktuellen oder früheren Partner.
- Produktionsland und -jahr:
- Deutschland 2021
- Datum:
- Verfügbar
- weltweit
- Verfügbar bis:
- bis 07.12.2024
- Ton
- UT
- AD
Betroffen sind Frauen aller sozialen Schichten. An jedem dritten Tag wird eine Frau in Deutschland von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. "37°" hat Betroffene von häuslicher Gewalt begleitet, einen Täter befragt und ein Frauenhaus besucht.
Die alleinerziehende Jenny Schmetzer (45) war auf der Suche nach Liebe und Glück, als sie ihren vermeintlichen Traummann kennenlernte. Alles schien perfekt, bis er eines Tages zuschlug. "Ich war wie in einer Schockstarre, ich habe noch nie in so hasserfüllte Augen geschaut", so Jenny heute. Am nächsten Morgen flieht sie mit ihrer Tochter zu einer Freundin, doch nach unzähligen Reueschwüren verzeiht sie ihm und kehrt zurück. Ein Fehler, denn Demütigungen und Gewalt werden zum Alltag, bis sie fürchten muss, zu sterben. Jenny sagt: "Es kann jede treffen."
Wenn die Gewalt eskaliert, können Frauen in ein Frauenhaus flüchten. Daniela Albring leitet ein autonomes Frauenhaus in Nordrhein-Westfalen. Sie weiß: "Es ist nicht immer nur das typische blaue Auge, was wir so denken, oh, das ist Gewalt, sondern es fängt viel, viel eher an. Und schraubt sich wie eine Spirale immer weiter über Jahre." Eine Betroffene, die in dieses Frauenhaus floh, berichtet von ihren Gewalterfahrungen.
Jahrelang wurde sie von ihrem Mann eingesperrt und schwer misshandelt. Ihr gelang mit ihren Kindern die Flucht ins Frauenhaus, doch seitdem muss sie um ihr Leben fürchten, denn ihr Ex-Partner droht ihr, sie umzubringen. "Man muss sich schon bewusst machen, dass die Frauen, die hierhin kommen, dass es wirklich oft lebensbedrohlich ist und der letzte Schritt ist", betont die Frauenhausleiterin Daniela Albring.
Auch wenn 81 Prozent aller Menschen, die häusliche Gewalt erleben, weiblich sind, gibt es auch Männer, die Gewalt in der Partnerschaft erleben. "Wer glaubt schon einem Mann, der sagt: Ich werde von meiner Partnerin misshandelt", dachte sich der heute 39-jährige Tami Weissenberg (Name geändert). Jahrelang hat er eine Beziehung ausgehalten, die von psychischer und physischer Gewalt gegen ihn geprägt war.
"Die letzten Jahre war nur noch der Wunsch, o. k., wenn du das und das jetzt machst, dann hast Du vielleicht für ein paar Stunden, für ein paar Tage, vielleicht eine Woche, Deine Ruhe vor dem nächsten Übergriff. Es gab diese Momente, wo ich mir dessen bewusst war, was mir passiert und ich mir auch dessen bewusst war, das kannst du auch gar nicht mehr länger ertragen." Wie so viele, sah auch er jahrelang keine Möglichkeit, sich von seiner Partnerin zu lösen, auch weil es keine Hilfsangebote für Männer gab. Dass sich das ändert, dafür setzt er sich heute ein.
Der 37-jährige Martin (Name geändert) konnte nie verstehen, wie Männer ihren Frauen gegenüber gewalttätig werden können, bis auch er zuschlug. Hilfe hat er beim Projekt ORANGE in Thüringen gesucht und gefunden. ORANGE ist ein Unterstützungs- und Beratungsangebot zur Verhaltensänderung für Männer, die in Partnerschaften gewalttätig geworden sind. Primäres Ziel eines sozialen Trainingsprogramms ist die Vermeidung erneuter Gewalt. Christoph Kuchinke ist für ORANGE als Sozialarbeiter tätig. "Es geht hier nicht um Schuld, das entscheidet das Gericht, hier geht es um Verantwortung. Also wir sagen: Alles, was du tust, ist deine Verantwortung."
2019 wurden insgesamt 141 792 Menschen Opfer von Partnerschaftsgewalt. Knapp 115 000 Betroffene waren weiblich.
Experten gehen davon aus, dass sich durch die Coronapandemie die Situation in den Haushalten deutlich verschärft hat. Aktuelle Zahlen gibt es nicht, aber die Sorgen- und Hilfstelefone melden einen Anstieg von Anrufen.
"37°" begleitet Menschen, die sich selbst fragen, wie sie in eine solche Beziehung geraten konnten. Was haben sie hinter zumeist verschlossenen Türen erlebt? Wie gehen sie damit um? Wie reagiert das Umfeld? Und wie kann effektive Hilfe aussehen?