Film

Ab 18! - Dazwischen Elsa

Ein Jahr nach dem Abitur weiß Elsa, 21, noch immer nicht, wer oder was sie sein soll. Ihr Freund winkt mit der großen Freiheit im Ausland, die Eltern erwarten ein Studium. Doch was will Elsa?

Produktionsland und -jahr:
Deutschland 2019
Datum:
Verfügbar in
D / CH / A
Verfügbar bis:
bis 12.09.2024

Sie ist unentschlossen und überfordert, es gibt so viele Optionen. Inzwischen muss Elsa babysitten und die Wohnung renovieren, die ihr Freund vollkommen chaotisch hinterlassen hat. Der Druck wird immer größer.

Alle ihre Freunde scheinen sich schon entschieden zu haben: Freiwilliges Soziales Jahr, Weltreise, Studium ... Elsa kriegt das einfach nicht hin. Mit ihrem Freund führt Elsa eine On-Off-Beziehung. Timon ist Koch und arbeitet seit seinem 16. Lebensjahr täglich 16 Stunden. Jetzt hat er gekündigt und ist nach Fuerteventura abgehauen, und Elsa soll nachkommen. Aber vorher muss sie noch die gemeinsame Wohnung in Hamburg auflösen. Währenddessen organisiert Elsas Mutter einen Termin zum Berufscoaching. Doch Elsa verbringt ihre Tage lieber mit schlafen, lesen und nachdenken. Elsa übt passiven Widerstand gegen die Anforderungen von außen, auf der Suche nach ihrem ganz eigenen Weg.

Katharina Pethke und Christoph Rohrscheidt haben mit Elsa eine junge Frau im Dazwischen porträtiert. Wie viele ihrer Generation aus dem gehobenen Mittelstand in den westlichen Industrieländern steht sie vor der Frage, was sie mit den vielen Zukunftsoptionen anfangen kann, die ihr diese Gesellschaft bietet.

Katharina Pethke ist Absolventin der Kunsthochschule für Medien in Köln und Dokumentarfilmerin. Ihre sechsjährige Professur an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg hat sie für das Dilemma der 20-Jährigen sensibilisiert. Christoph Rohrscheidt hat an der Filmuniversität Babelsberg 2015 sein Kamerastudium abgeschlossen und seitdem zahlreiche Dokumentarfilme fotografiert. "Dazwischen Elsa" ist ihr erster gemeinsamer Film.

Interview mit Katharina Pethke und Christoph Rohrscheidt

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, einen Dokumentarfilm über die Zeit nach dem Abitur zu machen? Und wie habt ihr euch für Elsa als Protagonistin entschieden?

Dazwischen_Elsa-Autoren_Pethke_Rohrscheidt
Christoph Rohrscheidt, Katharina Pethke

Wir sind beide Filmemacher und haben kleine Zwillinge - Elsa war unsere Babysitterin, und sie hat zur Zeit des Drehs bei uns gewohnt. Sie war im wahrsten Sinne des Wortes "dazwischen", wusste nicht, wohin. Wir konnten die Situation, in der Elsa steckte, so gut nachvollziehen! Was für ein Druck da auf ihr lastete, diese riesengroße Entscheidung treffen zu müssen: Wer will ich sein? Wir konnten uns gut daran erinnern, wie es bei uns gewesen war und wir haben mit Elsa in der Zeit abendelang über dieses "Dazwischen" gesprochen, das fast eine philosophische Komponente hat: Es gibt noch keinerlei Anbindung an die Realität, keine wirklichen Verpflichtungen. Alles ist möglich. So frei! Aber was für ein Druck ... Dann lockte Elsas damaliger Freund damit, gemeinsam alles hinzuschmeißen und nach Fuerteventura auszuwandern. Timon arbeitet seit seinem 16. Lebensjahr als Koch und stand mit 21 nach eigenen Worten kurz vor dem Burnout. Er fragte sich ernsthaft, was das alles soll und wofür er sich so aufrieb. Auf der anderen Seite standen aber Elsas Eltern, die wollten, dass Elsa auf eigenen Beinen steht und studiert. Elsa befand sich in diesem Spannungsfeld der Erwartungen, und damit war irgendwann klar, dass wir das gemeinsam in einem Film thematisieren wollen.

Kann man sagen, dass Elsas Situation repräsentativ für ihre Generation der Millennials ist?

Ja! Die Möglichkeiten haben sich immens erweitert, es gibt mittlerweile 19.000 Studienfächer in Deutschland, dazu kommen die Ausbildungsberufe. Es ist nicht mehr so, dass junge Menschen einfach in den Beruf ihrer Eltern reinwachsen. Das ist ja auch gut so, aber es herrscht neuerdings der Druck in die andere Richtung: Das Selbstverwirklichungs-Dogma erdrückt viele Impulse. Es muss auch wirklich Spaß machen, es muss einem auch wirklich gefallen, was man tut. Das ist natürlich widersinnig.

Zudem kommt die Frage, ob junge Menschen gerade wirklich Teil dieser verdreht-kapitalistischen Welt werden möchten, in der wir leben. Möchten sie wirklich mitmachen bei diesem System und brav Steuern zahlen und ein Rädchen sein in diesem neoliberalen Getriebe?

Wie ein Kaninchen vor der Schlange steht Elsa in unserem Film da und weiß es einfach nicht. Das können wir nachvollziehen - und wir denken, viele andere junge Menschen auch.

Was würdet ihr entgegnen, wenn Elsas Orientierungslosigkeit als "Luxusproblem" abgetan wird?

Stimmt, es geht nicht um Mord und Totschlag oder um lebensbedrohliche Schicksale. Aber es geht dennoch um etwas Existenzielles: Wer will ich sein und wer soll ich sein in einer Welt, die mir unter Umständen nicht gefällt? Welche Wahl habe ich? Mitmachen und brav sein? Oder aussteigen? Und: Ist das wirklich eine Alternative? In dieser Starre stecken viele Menschen in unterschiedlichen Lebensabschnitten fest. Es ist ein fast bewegungsloser Zustand, der manchmal sogar als Depression diagnostiziert wird.

Als nächstes gibt es die, die aus diesem Gefühl der Ohnmacht eine Gegenwehr entwickeln und kämpferisch werden, die Fridays-For-Future-Bewegung zum Beispiel. Aber Elsas Situation steht nicht nur für sie, sondern - leider - für sehr, sehr viele junge Menschen. Sie stecken fest in der Überforderung.

Euer Film zeichnet sich nicht nur durch seine große Nähe zu Elsa, sondern auch durch eine besondere formale Gestaltung aus. Mit welchen gestalterischen Vorstellungen habt ihr euch Elsa und ihrer Situation genähert und sie dann im Film umgesetzt?

Die Spannung findet in Elsa selbst statt. Doch Elsa ist auch eine Projektionsfläche für die gesellschaftliche Fragestellung. Diesen Widerspruch wollten wir durch die sehr klare und auch etwas starre Bildsprache thematisieren. Elsa ist gefangen in Rahmen, in Architektur, in den Möglichkeiten, die diese Gesellschaft vorgibt.

Die klare Bildsprache gibt für das dokumentarische Arbeiten eine Menge Freiheiten: Wir konnten Elsa innerhalb der Kadrage meist frei agieren lassen und sind nicht mit der Kamera hinterhergestolpert. Das schafft auch Vertrauen. Wir haben recht genaue Absprachen mit Elsa darüber getroffen, was wir vorhaben und wie wir uns ihrem Zustand filmisch nähern können. Elsa hat dabei einige Vorschläge gemacht, so wusste sie auch immer, was sie erwartet, wenn wir die Kamera aufstellen.

Wir fragen uns beim Filmemachen: Was können wir in zwei Bildern erzählen, was wir in einem nicht erzählen können? Die Reduzierung auf das Wesentliche ist für die Erarbeitung der Bildsprache für uns wichtig. Wir haben zum ersten Mal zusammen gearbeitet und haben uns dabei wunderbar ergänzt! Das macht vielleicht auch die Übung als gemeinsames Elternpaar ...

Ihr habt euer Filmprojekt im Konzeptstadium mit einer dokumentarfilminteressierten Gruppe junger Erwachsener diskutiert - der "doku.klasse" der Duisburger Filmwoche. Inwieweit war dieser Input hilfreich und ist in die Arbeit am Film eingeflossen?

Die Arbeit in der "doku.klasse" war phantastisch! Es war ein echtes Privileg, mit so klugen und wachen jungen Menschen an unserem Film "herumzudenken". Es gab wunderbar ehrliche Diskussionen, die uns echt weitergebracht haben.

Das erste Treffen mit der "doku.klasse" war mitten im Dreh, da haben wir zwei Filme von Katharina gemeinsam geschaut und dann über das Exposé gesprochen. Alles war noch möglich und offen. Die Jugendlichen haben gesagt, was sie interessiert, aber auch, wo sie befürchten, dass Elsa möglicherweise falsch verstanden wird oder wo der Film in eine falsche Richtung gehen kann.

Hier haben wir übrigens zum ersten Mal das Wort "Dokumentarfilm-Bingo" gehört. Gemeint sind damit Bilder, die in fast jedem Dokumentarfilm zu finden sind: traurige Menschen, die rauchend am Fenster sitzen etwa. Wir fanden das so treffend und witzig!

Auf der Grundlage dieses ersten Treffens sind wir in den weiteren Dreh gegangen und durften dann noch einmal wiederkehren, um den Rohschnitt zur Diskussion zu stellen. Das hat viel geholfen in Bezug auf die Dramaturgie, und so konnten wir gemeinsam mit unserer Editorin Daniela Kinateder grundlegende Entscheidungen vorantreiben - und so zu diesem für uns besten Ergebnis kommen.

Wir haben allerdings festgestellt, dass junge Menschen den ersten Versionen des Films gegenüber viel offener waren als zum Beispiel die Generation der Älteren. Es scheint da wirklich ein Wandel stattgefunden zu haben, den die Älteren wahrscheinlich nicht mehr so nachvollziehen können. Im nächsten Schritt haben wir versucht, Elsas Zustand für alle etwas verständlicher zu machen.

Hat Elsa den fertigen Film gesehen und euch Rückmeldung gegeben?

Elsa mag den Film! Viel aufregender war es allerdings, als wir ihn dann ihren Eltern gezeigt haben, Elsa war dabei aufgeregter als wir. Es stellte sich heraus, dass ihr Vater und ihre Mutter durch den Film viel verständnisvoller auf diese Zeit schauen. Es wäre so schön, wenn Eltern dafür keinen Film bräuchten.

Interview: Katya Mader, 2019

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