Bergkette im Norden der Slowakei

Dokumentation

Zauberberge - Die Wildnis der Hohen Tatra

Im Herzen Europas liegt eine wilde Gebirgslandschaft: die Hohe Tatra. Wie ein gut gehütetes Geheimnis ragt die Bergkette im Norden der Slowakei in den Himmel. Einige Teile liegen in Polen, ein Ausläufer in Tschechien.

Produktionsland und -jahr:
Datum:

Die Natur der Hohen Tatra beobachten, heißt auf Zeitreise zu gehen, zurück in eine Welt, in der Pflüge von Pferden gezogen und Bäume mit Äxten und Handsägen gefällt werden, zurück in eine europäische Wildnis, die noch genug Platz für große Jäger hatte. Der Film stellt Natur und Tiere im Jahresverlauf vor.

Auch im dicht besiedelten Europa gibt es noch Orte, die an die Welt alter Märchen erinnern. Ein solcher Ort ist die Hohe Tatra an der Grenze zwischen der Slowakei und Polen. Märchenhaft wirken nicht nur die wildromantischen Almen und Weiden, sondern auch die Geschichten, die die Schafhirten am Lagerfeuer erzählen. Sie berichten von einsamen, heißen Sommern, schaurigen Gewittern und Schneestürmen, von lauernden Wölfen und Kämpfen gegen Braunbären. Doch nichts von all dem ist erfunden. Es geschieht Jahr für Jahr im Herzen Europas, in der dramatischen Bergwelt der Hohen Tatra. Harald Pokieser schrieb das Drehbuch zur "Universum"-Dokumentation "Zauberberge". Regie führte Pavol Barabas, hinter der Kamera stand Tomas Hulik.

Das kleinste Gebirge der Welt

Gebirgslandschaft
Quelle: ORF/Thomas Hulik

Mit einer Grundfläche von nur dreißig mal zwanzig Kilometern nennt man die Hohe Tatra auch das kleinste Gebirge der Welt. Diese Bezeichnung klingt niedlich, ist aber irreführend. Viele der dreihundert Gipfel sind über 2.500 Meter hoch, der höchste - der Gerlach - misst 2.655 Meter. Die Sommer sind heiß und kurz, die stürmischen, bitterkalten Winter verwandeln die Gipfelregionen monatelang in eine Eiswüste, und die Wetterstürze können mit jenen in den Alpen spielend mithalten.

Für Europa seltene Tierwelt

Luchs
Ein Luchs mit seiner Beute - die langen Winter fordern alle Lebewesen heraus.
Quelle: ORF/Thomas Hulik

Hier hat sich eine Tierwelt erhalten, die man im restlichen Europa kaum mehr findet. So leben in den slowakischen Karpaten rund 200 Wölfe. Wie überall in Europa wurden und werden sie auch hier missverstanden, zu Bestien hochstilisiert und gnadenlos gejagt. Trotz Schutzbemühungen bleiben sie bis heute im Fadenkreuz der Jäger - und nirgendwo sind sie unbeliebter als bei den Hirten der Hohen Tatra. Sobald im Frühjahr die Schafe auf der Weide sind, beginnt auch das alte Katz-und-Maus-Spiel zwischen Hirten und Wölfen. Wölfe greifen nicht einfach im Sturm an, sie kommen auf leisen Sohlen, lassen sich Zeit und gehen nach Plan vor, mit einer Strategie, gegen die selbst erfahrene Hirten kaum eine Chance haben.

Im Unterschied zu den Wölfen ist der Luchs ein überzeugter Einzelgänger. In freier Wildbahn bekommt man ihn kaum zu sehen. Er lebt vorzugsweise im dichten Wald, ist scheu und zudem meist dämmerungs- und nachtaktiv. Die Karpaten sind sozusagen die letzte Hochburg der Luchse. In der Slowakei schleichen nach Schätzungen von Biologen rund vierhundert dieser großen Katzen durch die Wälder.

Bär
Platz genug ist für Braunbären jedenfalls.
Quelle: ORF/Thomas Hulik

Auch Braunbären bietet die Hohe Tatra noch ausreichend Lebensraum. In den Alpen kennt man die wenigen Braunbären beim Namen, in den Karpaten streifen sie noch zu Hunderten durch die einsamen Wälder, nicht selten zum Ärger von Hirten, Bauern und Imkern.

In der obersten Etage der Tatra lebt neben den alten Erzfeinden Steinadler und Murmeltier eine zoologische Besonderheit. Die Gämsen der Tatra bilden eine eigene Unterart, die nur hier lebt. Dass sie sich von den alpinen Gämsen unterscheiden, hat man erst 1970 entdeckt.
Die Bestände sind durch intensive Bejagung stark zurückgegangen. Die letzten Tatra-Gämsen leben im Hochgebirge in kleinen, isolierten Gruppen.

In den Wäldern der Hohen Tatra spürt man am deutlichsten, dass in diesem Landstrich die Zeit stets langsamer lief, mitunter sogar stehen blieb. Es ist ein armes Land, dünn besiedelt, der Tourismus noch immer bescheiden, exzessive Forstwirtschaft hat es nie gegeben. So blieb vor allem im Bereich des Nationalparks ein Märchenwald erhalten - eine gesunde Mischung aus Laub- und Nadelhölzern, durchflossen von unregulierten Flüssen und Bächen. Und so hat sich auch in einigen kleinen Dörfern und entlegenen Höfen die Welt von gestern erhalten. Bei lokalen Hochzeitsfeiern oder der traditionellen Ostermesse am Berg spürt und erkennt man sofort, dass es hier nicht um Folklore, sondern um Brauchtum geht, dass bei den Bewohnern der Hohen Tatra noch tief verwurzelt ist.

Kurze Sommerzeit

Wildkatze
Die kleine Verwandte des Luchses - eine Wildkatze.
Quelle: ORF/Thomas Hulik

Vielleicht, weil sie meist unter sich sind, denn die "Besuchszeit" in der unwirtlichen Bergwelt ist kurz. Im Juli und August kommen die Wanderer, und die Steilwände locken Kletterer aus aller Welt. Manche kehren von ihren Touren nicht mehr zurück - nicht zuletzt, weil die Hohe Tatra für ihre plötzlichen Wetterstürze berüchtigt ist.

Welche brutalen Kräfte in dieser scheinbaren Idylle walten können, zeigt die Wüste aus geknickten Bäumen, die bis heute an der Südflanke der Tatra zu sehen ist: tote Stämme, Bruchholz und Baumstümpfe, so weit das Auge reicht. Es war das Unwetter des Jahrhunderts. Am 19. November 2004 tobte ein Orkan über die Wälder der Hohen Tatra. Mit Windgeschwindigkeiten von 170 Kilometern pro Stunde schlug er eine Schneise der Verwüstung in die Wälder, 12.000 Hektar Wald wurden in wenigen Minuten vernichtet. Kurz darauf begruben wochenlange Schneefälle den Friedhof der Bäume. Diesen Orkan wird man nicht so bald vergessen: Die freien Flächen, die Löcher und Narben im Wald werden noch in Jahrzehnten sichtbar sein.

Das unwirtliche Klima, das launische Wetter macht die Hohe Tatra letztlich zur Schutzinsel für Tiere und Pflanzen. Ende August verschwinden die letzten Touristen, und spätestens im Oktober verlassen auch die Hirten und Schafe die Almen. Von Glockengeläut begleitet wandern Männer, Hunde und die Herde talwärts. Dann ziehen nur noch graue Wolken über die Tatra, und es riecht nach Schnee.

Im November wird die gespenstische Stille noch einmal unterbrochen: Gamsböcke duellieren sich und jagen einander kreuz und quer über die Felsen und Schneefelder. Der Winter erscheint sozusagen über Nacht. Er fällt buchstäblich über die Berge und Täler her, vereist Flüsse und Seen und lässt arktische Stürme um die Gipfel heulen. Alles Leben scheint ausgelöscht, nur die vereinzelte Spur eines Luchses oder das ferne Heulen der Wölfe verrät, dass große Jäger keinen Winterschlaf halten.

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