Film

Ab 18! - In einem Jahr

Mit dem Krieg gegen die Ukraine fühlt sich die erfolgreiche Casting-Direktorin Milena plötzlich wie im falschen Film. Sie flieht aus Moskau und versucht, zu helfen.

Produktionsland und -jahr:
Deutschland 2023
Datum:
Verfügbar in
D / CH / A
Verfügbar bis:
bis 10.03.2025

Von Georgien aus gründet die junge Russin eine Hilfsorganisation, die ukrainische Krebspatienten ins europäische Ausland vermittelt. In nur einem Jahr beschleunigt sich unversehens ihr Leben - für eine digitale Nomadin fast eine Selbstverständlichkeit.

Junge Frau am Tisch mit Blumen.
Milena hat es in Russland nicht mehr ausgehalten. Nun arbeitet sie in Georgien daran, ukrainische Krebspatienten ins Ausland zu navigieren.

Die eigene Großmutter lebt noch in der Ukraine, die Mutter als Putin-Getreue in Moskau. Während Milena Hilfe für kranke Menschen organisiert, hört sie die Bombeneinschläge neben dem Haus der Großeltern bei Kiew - ihnen kann sie nicht helfen. Mit 21 Jahren fühlt sie sich zunehmend erschöpft und unerwünscht, zumal Russen in Tiflis keine Sympathie entgegengebracht wird. Woher aber sollen die Menschen auf der Straße wissen, dass Milena zwar Russin ist, aber mit Putins Angriffskrieg nichts zu tun haben möchte? Milenas nächste Station wird Bangkok sein, um eine weitere Stufe auf der Karriereleiter zu erklimmen. Wie so viele junge Menschen wird sie "from remote" am Computer arbeiten. Ob sie noch in einem Jahr dort sein wird, stellt sie sich selbst als Frage.

Milenas Schicksal steht exemplarisch für das vieler junger Russinnen und Russen, die sich in ihrer Identität zerrissen und in ihren Entfaltungsmöglichkeiten eingeschränkt fühlen, selbst wenn sie das Glück haben, nicht in den Krieg ziehen zu müssen. Die Regisseurin Anna Sarukhanova erzählt von dieser Rastlosigkeit, Heimatlosigkeit und Ungeduld mit beiläufiger Empathie und starken Bildern. Sie beschreibt mit ungewöhnlicher Leichtigkeit das Lebensgefühl einer ganzen Generation in einer Welt im Umbruch. Als Regisseurin hatte die Georgierin, die zurzeit in London lebt, bereits 2016 auf dem Filmfestival in Locarno mit ihrem Kinofilm "Till the End of the Day" debütiert und 2018 am Talent-Campus der Berlinale teilgenommen. 2021 veröffentlichte sie ihren Spielfilm "Inconceivable Light".

3sat zeigt "In einem Jahr" von Anna Sarukhanova im Rahmen der Reihe "Ab 18!", in der Regisseurinnen und Regisseure mit außergewöhnlichen filmischen Handschriften Geschichten vom Erwachsenwerden erzählen.

Interview mit Filmemacherin Anna Sarukhanova

Wann sind Sie Milena begegnet, und wann wurde Ihnen klar, dass Sie sie porträtieren wollten?

Meine Begegnung mit Milena fand im stürmischen März 2022 statt, gleich zu Beginn des Krieges. Im Ambiente einer georgischen Bar schien Milena in ihre Arbeit vertieft zu sein - eine Szene, die zunächst alltäglich erschien. Unser Gespräch enthüllte jedoch eine tiefer gehende Geschichte: Milena arbeitete nicht nur, sondern engagierte sich leidenschaftlich in ehrenamtlichen Aktivitäten. In einem kurzen, aber eindringlichen Gespräch erzählte sie von den intensiven Bemühungen um die Evakuierung von Menschen aus der Ukraine und berichtete von schlaflosen Nächten. Zu diesem Zeitpunkt war mir nicht bekannt, dass ihre Großmutter in der Ukraine lebt. Milenas unerschütterliche Hingabe an diese Mission hat mich tief beeindruckt und ging über bloße Worte hinaus; es war ein Engagement, das in jeder Sekunde spürbar war.

Was bedeutet der Verlust ihrer ukrainischen und russischen Heimat für sie?

Anna Sarukhanova, Regisseurin des Dokumentarfilms "Ab 18! - In einem Jahr"
Anna Sarukhanova

Die Auswirkungen des Verlusts der ukrainischen und russischen Wurzeln sind für Milena schwerwiegend. Stellen Sie sich vor, Sie wachen in einem fremden Raum auf, abgeschottet vom Vertrauten, eine ständige Trennung, die jeden Moment bestimmt. Man könnte es sogar als unfreiwillig bezeichnen, als eine Art Gefangenschaft. Das Reisen wird zu einer Art von Gefangenschaft - das ist der Eindruck, den ich habe.

Milena ist in Georgien vielen Anfeindungen ausgesetzt. Wie äußern sich diese?

Georgien ist in Teilen immer noch von Russland besetzt (Südossetien und Abchasien, Anmerkung der Redaktion), und zahlreiche innenpolitische Faktoren verschlimmern die Situation. Daher scheint es verständlich, dass solche Gefühle aufkommen. Milena spricht Russisch und ist trotz ihrer ukrainischen Wurzeln aus Moskau nach Georgien gekommen. Für mich ist das ein komplexes Thema, weil ich keine klare Lösung zur Vermeidung von Aggressionen sehe. Es sind zu viele Russen nach Georgien gekommen, und auf den Straßen wird überall Russisch gesprochen. Manchmal bestehen die Russen schamlos darauf, in einem fremden Land auf Russisch angesprochen zu werden. Können Sie sich das vorstellen? Oft handelt es sich um Menschen, die den politischen Kontext nicht kennen, zum Beispiel den Krieg von 2008 - sie rechtfertigen ihre Unwissenheit damit, dass sie damals jung waren, aber das kann keine Entschuldigung sein.

Ja, Milena war, wie alle Russen, die hierher gekommen sind, oft mit Vorurteilen konfrontiert. Wir haben jedoch großen Respekt vor denjenigen, die die Ukraine unterstützen, und wir selbst unterstützen sie, so gut wir können. Diejenigen, die sich für die Ukraine einsetzen, eine Sache, die Milena mit Nachdruck unterstützt, lassen einen Hoffnungsschimmer aufkommen, der einen Anschein von Erlösung in dieser komplizierten Krise bietet.

Wie viele junge Erwachsene arbeitet auch Milena hauptsächlich online. Welche Auswirkungen hat das auf junge Menschen?

Die Auswirkungen der Online-Arbeit sind entgegen der anfänglichen Annahme vielleicht nicht so erdbebenartig, wie man sich das vorstellen könnte. Die Pandemie hat uns alle in den Online-Bereich gedrängt, und der Wandel, den man erwarten könnte, ist vielleicht nicht so tiefgreifend. Was Milenas Situation jedoch auszeichnet, ist dieses unfreiwillige Eintauchen in die Online-Sphäre, ein ungewisser Aufenthalt, der über die Arbeit selbst hinausgeht. Denn noch einschneidender ist die Einschränkung der familiären Bindungen. Die harte Realität der Ungewissheit ist allgegenwärtig, vor allem die Frage, ob Milena jemals die Chance haben wird, ihre Großmutter lebend wiederzusehen.

Welche Erwartungen sind mit dem Titel des Films "In einem Jahr" verbunden?

Der suggestive Titel des Films "In einem Jahr" lädt dazu ein, über das Rätsel von Milenas Leben nachzudenken. Er ist eine ergreifende Aufforderung, darüber nachzudenken, wo sie sich in einiger Zeit wiederfinden könnte - eine Aussicht, die sie nach Japan, zurück nach Russland, oder vielleicht zu ihren Wurzeln in der Ukraine führen könnte. Dieser Satz, der aus Milenas eigenem Interview stammt - "Wo werde ich in einem Jahr sein?" - lädt nicht nur dazu ein, ihre Reise mitzuerleben, sondern auch dazu, sich selbst zu betrachten. Was wird sich in der Tat in einem Jahr in unserem eigenen Leben ereignen?

Interview: Nicole Baum

Stab

  • Regie - Anna Sarukhanov
  • Autor - Anna Sarukhanov
  • Kamera - Sergei Amirdzhanov
  • Musik - Sandro Chinchaladze

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