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Augen der Wüste - Eine Reise zu den größten Teleskopen der Erde
Die Antwort auf eine der fundamentalsten Fragen der Menschheit scheint in Reichweite gerückt zu sein: Sind wir allein im Universum?
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Die ESO, führende Forschungs- und Entwicklungsorganisation im Bereich der Astronomie, an der auch Österreich beteiligt ist, ermöglicht astronomische Spitzenforschung. Im einzigartigen Observatorium in der chilenischen Atacama-Wüste wird derzeit auf etwa 5.000m Seehöhe das größte Teleskop der Welt errichtet: Es soll die ersten Bilder von erdähnlichen Planeten liefern.
Wissenschafter aus aller Herren Länder haben ihr Leben dem Lüften von kosmischen Geheimnissen gewidmet, indem sie jahrelang in dieser menschenfeindlichen Gegend leben und arbeiten. Das 3sat-Team begleitet diese außergewöhnlichen Menschen eine Woche lang und blickt nicht nur in die Weiten des Weltalls, sondern auch ins Innere derer, die an diesem exponierten Ort temporär zu Hause sind. Fernab jeglicher Zivilisation versuchen die Forscher, das Rätsel des Universums für uns alle zu lösen.
Ein Team aus fünf Journalisten unter der Leitung des Astronomen Peter Habison ist auf dem Weg in den Norden Chiles. Ihr Ziel sind die großen Teleskope der ESO, der europäischen Südsternwarte, in der Atacamawüste. Sie wollen der Frage nachgehen, wie es mit der Suche nach Existenz von Leben außerhalb unserer Erde aussieht?
Quelle: ORF/ESO
Zuerst geht’s auf 2600 Meter Seehöhe, zum "Very Large Telescope" am Observatorium auf Cerro Paranal. Die Bedingungen in dieser Region der Erde sind für Menschen eine ständige Herausforderung. Von jeglicher Zivilisation abgeschieden, liegt Cerro Paranal in einer der trockensten Wüsten der Welt. Der extrem isolierte Ort erinnert an ein Leben auf einem fremden Planeten. Die Europäische Südsternwarte feierte 2012 ihr 50-jähriges Bestehen. Sie ist eine Forschungsorganisation mit 15 Mitgliedsländern, seit 2009 ist auch Österreich dabei.
Grund genug, den fünf österreichischen Fachjournalisten die einzigartige Möglichkeit zu bieten, hinter die Kulissen der astronomischen Forschung zu blicken.
Das Observatorium auf Cerro Paranal ist einer der weltbesten Standorte für astronomische Forschung. Der Grund dafür ist ein Zusammenspiel von klimatischen und geographischen Faktoren. Im Westen liegt die Pazifikküste mit seinem kalten Humboldtstrom. Dieser erzeugt dort eine Inversionsschicht aus kühler Luft, die die Bildung von Regenwolken verhindert. Im Osten halten die Anden wiederum durch ihre natürliche Höhe Schlechtwetterfronten ab. Darüber hinaus ist die geringe Bevölkerungsdichte in Chile von Vorteil und die Lichtverschmutzung in der Atacama damit sehr gering. Alles in allem ein optimaler Standort für ein astronomisches Observatorium.
Quelle: ORF/ESO
Astrofotograf Stefan Seip: "Das ist das Gefühl, an einem Ort zu sein, wo die Wissenschaft an ihre Grenzen kommt, wo das technisch Machbare ausgelebt wird, um wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen und es gibt keine vergleichbare Anlage dieser Art auf der Welt."
Der Astronom Peter Habison: "Es ist an einem der weltbesten Plätze, wenn nicht am weltbesten Platz. Über 300 klare Nächte bieten den Astronomen die Möglichkeit, den Kosmos das ganze Jahr über bis an den Rand des Universums zu erforschen."
Jeden Tag spielt sich das gleiche Prozedere ab, die Teleskope bereiten sich für die Nacht vor. Im Kontrollraum beginnen die Astronomen mit ihren nächtlichen Beobachtungen.
Zahlreiche Bildschirme zeigen den technischen Status der Teleskope und Instrumente an: Position am Himmel, Genauigkeit der Spiegeloberflächen, Steuer- und Analyseprogramme für Kameras und Spezialgeräte. Gleichzeitig werden Temperatur, Luftdruck, Windstärke, Windrichtung und die Qualität der Atmosphäre überwacht.
All diese Daten werden später bei der wissenschaftlichen Analyse von größter Bedeutung sein.
Quelle: ORF/ESO
Um Beobachtungszeit am Very Large Telescope der ESO zu bekommen, muss ein wissenschaftliches Programm offiziell eingereicht werden. Alle Teleskope sind mehrfach überbucht und so können nur ausgewählte Projekte durchgeführt werden.
Leben im All wurde zwar noch nicht gefunden, dennoch haben die Beobachtungen mit den ESO Teleskopen zu bahnbrechenden Ergebnissen geführt:
- Im Zentrum unserer Milchstraße wurde ein gigantisches Schwarzes Loch entdeckt.
- 2011 wurde eine weitere revolutionäre Erkenntnis mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet: Der Kosmos expandiert nicht nur, sondern seine Ausdehnung erfolgt immer schneller.
Lange Zeit wurde stets von einer Expansion des Kosmos gesprochen, die durch die Wirkung der Gravitation verlangsamt wird. Die Entdeckung der beschleunigten Expansion des Universums brachte die Astronomen und Kosmologen in ein neues Dilemma. Sie erkannten, dass wir nur sehr wenig vom Universum wissen und die überwiegende Mehrheit des Kosmos aus sogenannter "Dunkler Materie" und "Dunkler Energie" besteht.
Was viele ebenfalls nicht wissen, ist, dass auch James Bond auf Cerro Paranal Station gemacht hat. Der Showdown von "Ein Quantum Trost" ließ beinahe die gesamte Residencia explodieren. Zum Glück war das nur im Film, denn hier wohnen die Astronomen und Techniker der ESO. Das Wohn-, Arbeits- und Freizeitgebäude ist ein architektonisches Meisterwerk und wurde zu einem der bedeutendsten Bauwerke der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts gewählt.
Das Wichtigste hier ist Wasser. Täglich kommen Tankwagen aus Antofagasta und liefern das lebensnotwendige Nass, dazu Lebensmittel, Gas für die Stromgeneratoren und alle technischen Geräte für den Betrieb, 365 Tage im Jahr.
Quelle: ORF/ESO
Auf der Suche nach möglichen Lebensformen im All baut die ESO mit Partnern aus den USA und Asien gerade am komplexesten Observatorium der Welt, ALMA, dem "Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array". Es liegt in einer Vulkanlandschaft , hoch oben in den chilenischen Anden - auf 5000 Meter Seehöhe. Eine Herausforderung für unser Journalisten und für alle, die in dieser unwirtlichen Gegend leben und arbeiten müssen. Der Sitemanager Martinez - Conte: "Die größte Herausforderung ist, das technologisch modernste Radioteleskop der Welt zu bauen und das unter sehr schwierigen Umweltbedingungen. Wir haben hier Sandstürme mit über 100km/h und eine extrem starke UV Strahlung. Die Gesundheit unserer Mitarbeiter wird daher täglich kurz überprüft, damit es zu keinen Komplikationen kommt."
Gute Gesundheit sowie körperliche und geistige Fitness sind daher unabdingbar, um eine Genehmigung für die Fahrt auf das ALMA Hochplateau zu erhalten. Auch das Journalistenteam muss sich dieser obligatorischen Untersuchung stellen.
Auf 3000 Metern darf der Blutdruck einen gewissen Wert nicht übersteigen und auch die Sauerstoffsättigung des Blutes darf nicht unter 80% sinken, sonst ist es lebensbedrohlich.
Nach genauen Checks steht es fest: nicht jeder aus der Gruppe schafft diese Hürde - zwei Kollegen müssen in der Basisstation bleiben.
Quelle: ORF/ESO
Ein grandioser Anblick, wie dieses außergewöhnlichste astronomische Observatorium der Welt gerade entsteht.
50 Radioantennen sind bereits auf dem Plateau installiert. Im Endausbau werden es 66 Antennen sein, die als Radiointerferometer betrieben werden. Im Bereich der Millimeter- und Submillimeter Astronomie ist es möglich, das gesammelte Licht der einzelnen Antennen zusammenzuführen und dadurch eine besondere Auflösung zu erzielen. Das erfordert jedoch das Wissen über die Positionen der Einzelnen Antennen zueinander und die Wege der einzelnen Signale müssen ganz genau korreliert, also untereinander abgestimmt, werden. Dazu bedarf es eines der größten und leistungsfähigsten Rechner der Welt - des sogenannten "Korrelators" im Kontrollzentrum.
Das Gesamtsystem besteht aus mehr als 134 Millionen Prozessoren, die bis zu 17 Billiarden Rechenoperationen pro Sekunde durchführen können. Die Antennen werden zudem über das Chajnantorplateau bewegt und dabei in Abständen von 150m bis 16 km positioniert.
Das ermöglicht, ALMA als variables "Zoomteleskop" einzusetzen, um die unterschiedlichen Objekte des sogenannten kalten Universums ideal studieren zu können.
Quelle: ORF/ESO/G.Hüdepohl
Die ersten Testaufnahmen mit ALMA wurden im Herbst 2011 gemacht und zeigen die berühmten Antennengalaxien in einem vollständig neuen Licht - ein kollidierendes Galaxienpaar, dessen Form durch den Zusammenstoß stark verzerrt wurde. Während das sichtbare Licht uns die Sterne in Galaxien zeigt, ermöglicht ALMA den Blick auf die Wolken aus kaltem, dichtem Gas, aus denen neue Sterne entstehen.
2012 entdeckte man eine Spiralstruktur in der äußeren Hülle, die den sterbenden Riesenstern R Sculptoris umgibt. Die überraschende Beobachtung ist eine astronomische Premiere. Die Struktur dürfte auf einen unsichtbaren Begleiter zurückgehen, der den Roten Riesen umkreist.
Und besonders erfreulich: Auch österreichische Astronomen waren daran beteiligt.
Eine weitere herausragende Entdeckung von ALMA betrifft die Entwicklung von Planeten. Astronomen haben erstmals direkt beobachten können, wie ausgedehnte Gasströme eine Lücke in der Materiescheibe um einen Stern überwinden. Dadurch ist man heute in der Lage, Licht in das Dunkel der Planetenentstehung zu bringen.
Die ESO hat bereits mit der Planung eines noch viel größeren Teleskops begonnen, mit dem sogenannten „E-ELT“, dem European Extremely Large Telescope. Es ist ein optisches Teleskop der nächsten Generation. Es erhält einen Hauptspiegel mit 39 Metern Durchmesser, der aus 798 sechseckigen Spiegelelementen zusammengesetzt sein wird.
Das E-ELT, das größte Auge der Erde, wird wohl mit Sicherheit in unbekannte Regionen unseres Kosmos vorstoßen und wir dürfen gespannt sein, welche überraschenden Antworten wir erhalten werden und welche neue Fragen wir stellen müssen.
Eine Dokumentation von Gundi Lamprecht