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Die Kuh mit Loch
Die Pansenfistel sieht aus wie ein Bullauge mit Stöpsel und eröffnet den Blick in den Magen einer Kuh. Das Kunststoff-Implantat wird Kühen bereits seit über 35 Jahren zu Forschungszwecken eingesetzt. Tierquälerei oder wichtige Forschung?
Frankreichs Tierschützer rufen Tierquälerei
Vor wenigen Wochen veröffentlichte die französische Tierschutzorganisation L214 heimliche Aufnahmen aus einer Forschungseinrichtung des Futtermittelherstellers Sander. Die Bilder zeigen Kühe in einer Ständerhaltung, die es ihnen nicht ermöglicht sich frei zu bewegen. Arbeiter ziehen den Stöpsel heraus, entnehmen mit Handschuhen Proben aus dem Magen der Kuh oder geben etwas hinein. In anderen Ausschnitten dürfen die Tiere zwar im Stall umherlaufen, sind jedoch völlig verdreckt und auch ihr Magenimplantat wirkt nicht gut in Schuss. Das ist Tierquälerei sagen die französischen Tierschützer und starten mit lautstarkem Protest eine Petition, um den Versuchen an Kühen ein Ende zu bereiten.
Versuchskühe auch in Deutschland
Tiermedizinische Universitäten und Agrarforscher halten in Deutschland ebenfalls Kühe mit Pansenfistel. Dafür gelten strenge tierschutzrechtliche Verordnungen. Eine unabhängige Tier-Ethik-Kommission muss jede Forschungskuh und jeden an ihr durchgeführten Versuch zunächst prüfen und genehmigen. Unter Narkose wird die Pansenfistel implantiert und muss regelmäßig gesäubert, gepflegt und kontrolliert werden. Währenddessen führt die Kuh ein fast normales Kuh-Leben. Sie bekommt weiterhin Kälber, wird gemolken und behält ihr Implantat lebenslänglich. Je nach Forschungseinrichtung wird die Kuh entweder freilaufend mit Artgenossen im Stall und auf der Wiese gehalten oder in Anbindehaltung. Dabei kann sie sich zwar hinlegen, ist in ihrer Bewegungsfreiheit jedoch beschränkt.
Hat die Kuh Schmerzen?
Das Silikon-Implantat liegt in der sogenannten Hungergrube der Kuh zwischen dem letzten Rippenbogen und Hüftknochen. Wie bei jeder Operation hat auch die Versuchskuh nach der Operation Schmerzen und wird mit Schmerzmitteln behandelt. Sobald alles gut verheilt ist, zeigt die Kuh im Alltag, laut Forschern, keine Anzeichen von Schmerz oder Unwohlsein. Sie frisst normal und kann auch auf der Fistel liegen. Würde sie Futter verweigern, sich gestresst verhalten oder Fieber bekommen, müssen sofort tierärztliche Maßnahmen ergriffen werden. Gäbe es die Möglichkeit der Pansenfistel nicht, müssten der Kuh mittels Magensonden Proben entnommen werden. Diese Methode wäre jedoch mit Schmerzen und weiteren Einschränkungen der Kuh verbunden.
Wozu das Loch?
Wissenschaftler und Studierende versuchen so zu verstehen, wie der Magen einer Kuh funktioniert. Sie können Futterproben direkt aus dem Magen der Kuh entnehmen. Anders herum können auch Probesäckchen mit Futtermischungen direkt in den Magen gelegt und im Anschluss anlaysiert werden wie Bakterien im Magen der Kuh arbeiten. Ziel ist es Futtermischungen zu entwickeln, die die Ressourcen effizient nutzen. So können der exakte Bedarf von Mineralien oder Antibiotika genau dosiert werden.
Auch der Eiweißbedarf der Milch-Kühe ist wichtig für die Forschung. Mit diesen Ergebnissen könnte in Zukunft weniger Soja als Eiweißquelle benötigt werden. Dafür werden in Anbauländern wie Südamerika noch immer hektarweise Wälder in Bohnen-Plantagen verwandelt. Auch die Produktion von Nitraten und klimaschädlichen Methangasen soll direkt durch das Futter im Magen der Kuh reduziert werden.
Das Problem mit dem Methan
Im Pansen-Magen der Kuh produzieren Bakterien das Treibhausgas Methan. Beim Wiederkauen rülpsen die Kühe mehrere hundert Liter des Klima-Gases aus. Da es 25 Mal schlimmer wirkt als CO2, belastet eine Kuh bislang das Klima so stark wie ein Auto. Aktuell enthält die Atmosphäre so viel Methan, wie seit 650 Tausend Jahren nicht mehr. Einem Schweizer Team gelang es nach 10 Jahren Forschung ein natürliches Futter zu entwickeln, mit dem Kühe 30% weniger Methan ausstießen.
Methan: Die verkannte Gefahr
Die Methan-Werte in der Atmosphäre steigen rasant an. Das kann fatale Folge haben, warnen Wissenschaftler. Methan ist 25 Mal klimawirksamer als CO2.