Kultur
Theatertreffen: Kinder der Sonne
Im Hause Protassow ist eine mehr als dysfunktionale Gemeinschaft versammelt, allein zusammengehalten durch das Personal, verbringen sie ihre Tage mit den immer gleichen Ritualen, doch sehen sie sich nicht, leben, reden und lieben aneinander vorbei.
- Produktionsland und -jahr:
-
- Datum:
- Verfügbar in
- D / CH / A
- Verfügbar bis:
- bis 07.09.2023
Starke Stücke: Mateja Koležnik am Schauspiel Bochum
Das Familienoberhaupt, ein Wissenschaftler, zieht sich am liebsten in das hauseigene Labor zurück, belästigt alle anderen mit dem Gestank der Chemikalien, mit denen er hantiert und empfindet alle Alltagsprobleme, die ihm zugetragen werden als absolute Zumutung. Er strebt nach Höherem, nicht nur für sich, sondern gleich die gesamte Menschheit, die er sich anmaßt auf einen besseren Weg führen zu können. Er verliert dabei nicht nur seine schwermütige Schwester oder die in verzweifelter Liebe zu ihm entbrannte Witwe Melanija aus dem Blick, sondern auch die eigene Frau, die sich dem gemeinsamen Freund Wagin zuwendet. Auch wenn Protassow seine Frau als selbstverständlich betrachtet und ihr keine Aufmerksamkeit schenkt, bleibt sie ihm treu, so sehr Wagin auch um Jelena wirbt. Ebenso erfolglos bleibt das Bemühen das jungen Tierarztes Tschepurnoi um die Schwester Protassows, Lisa.
Bitter-komisches Gesellschaftsporträt von Maxim Gorki
Eine Katastrophe bahnt sich an, die aber keiner bemerkt, da alle stets um sich und ihre unerwiderte Liebe kreisen. Sie verstehen einander nicht, sind sich fern, und scheitern bereits im alltäglichen Zusammenleben. Neurotisch, unglücklich, egoistisch und zutiefst komisch hat sich jeder in seinem Kokon eingerichtet. In diesem bürgerlichen Elfenbeinturm wird philosophiert und gefaselt, arrogant und herablassend auf die Welt da draußen geblickt. Dort braut sich etwas zusammen, was niemand wahrhaben will. Die Cholera tobt und treibt die Menschen gegen "die da oben" auf die Straße. Am Ende wird das zu Hause der Protassows vom Safe Space bürgerlicher Privilegien zu einer Festung gegen die aufbegehrenden Massen, die man nicht versteht. Die Kluft ist groß, vielleicht schon zu groß geworden.
Die slowenische Regisseurin Mateja Koležnik ist bekannt für ihre psychologisch feinsinnigen Inszenierungen. Im Schauspiel Bochum zeigt sie Maxim Gorkis "Kinder der Sonne" in einem hyperrealistischen Bühnenbild von Raimund Orfeo Voigt. Die einzelnen Figuren sind in sich selbst gefangen, ohne eine Möglichkeit den Menschen in ihrer Umgebung wirklich nahe zu kommen. Der Theaterabend scheint wie aus der Zeit gefallen, ist jedoch alles andere als reaktionär, vielmehr verortet sie Maxim Gorkis bitter-komisches Revolutions-Stück in einem Umfeld, in dem Menschen nicht mehr zwischen Fakten und Meinung unterscheiden und die Privilegierten nur noch mit Verachtung auf die Mehrheit der Gesellschaft blicken. Kinder der Sonne erzählt von einer zutiefst gespaltenen Gesellschaft und ist damit aktueller denn je.
Guy Clemens |
Protassow |
Anne Rietmeijer |
Lisa |
Anna Blomeier |
Jelena |
Victor IJdens |
Wagin |
Dominik Dos-Reis |
Tschepurnoi |
Jele Brückner |
Melanija |
Konstantin Bühler |
Nasar |
Michael Lippold |
Jegor |
Karin Moog |
Antonowna |
Alexander Wertmann |
Roman |
Amelie Willberg |
Fima |
Emily Lück |
Luscha |
Christian Paul, Tim Brockmann, Christoph Lux, |
Dorfbevölkerung |
Regie: |
Mateja Koležnik |
Bühne: |
Raimund Orfeo Voigt |
Kostüm: |
Ana Savić-Gecan |
Soundtrack: |
Lukas Tobiassen |
Klanggestaltung: |
Jordy Zoet |
Lichtdesign: |
Bernd Felder |
Dramaturgie: |
Angela Obst |
Fernsehregie: |
Andreas Morell |