Kultur
"Kulturzeit" vom 24.02.2023: Ukrainische Filme auf der Berlinale
Die Themen der Sendung: Berlinale-Zoom: ukrainische Filme, "Eastern Front" - Gespräch mit den Regisseuren Vitaly Mansky, Yevhen Titarenko, Chinas Rolle als Vermittler - Gespräch mit Eberhard Sandschneider, Dörte Hansens Doku "Inseln im Regen" und Comicbuchtipps.
- Produktionsland und -jahr:
- Deutschland 2023
- Datum:
- Verfügbar
- weltweit
- Verfügbar bis:
- bis 30.04.2023
Die Themen der Sendung:
Berlinale-Zoom: ukrainische Filme
Ein Jahr Krieg in der Ukraine ist das beherrschende Thema auf der Berlinale 2023. Viele ukrainische Filmschaffende sind angereist, aber auch Filmemacher aus dem Nachbarland Polen. Der Kameramann Piotr Pawlas reiste immer wieder für ein paar Wochen in die Ukraine. Sein Kollege Tomasz Wolski schnitt die Aufnahmen in Polen zu einem unglaublichen Film zusammen. In statischen Einstellungen werden all diejenigen gezeigt, die im Land geblieben sind. Der Film "In Ukraine" ist ein packendes Zeitdokument über die Widerstandskraft eines ganzen Landes.
Die Ukrainerin Tonia Noyabrova stellt ihr Debüt "Do You Love Me?" in der Sektion Panorama vor. Ein autobiografischer Spielfilm über den Untergang der UdSSR – der eine ungewollte Relevanz erhält. Während Teenagerin Kira die westliche Band Bananarama hört und von einem Leben als Schauspielerin träumt, fällt um sie herum die Sowjetunion zusammen. "Es war einer der ehrlichsten Momente für die Ukraine, weil wir damals für unsere Unabhängigkeit kämpften, was wir jetzt wieder müssen", sagt die Regisseurin. "Mein Film ist plötzlich so relevant geworden, weil wir mit der gleichen Scheiße konfrontiert sind." Nur drei Tage nach Drehschluss brach der Krieg aus. Tonia Noyabrova konnte mit ihrer Familie nach Georgien fliehen. "Und das war sehr hart. Auf mein Telefon bekam ich Bilder geschickt vom Massaker in Butscha. Können Sie sich das vorstellen? Auf dem Handy habe ich diese grauenhaften Bilder und auf dem Bildschirm sehe ich meinen Film, der mir plötzlich so unbedeutend erscheint. Doch dann merkte ich, dass auch Kino eine Waffe sein kann: um über die Ukraine zu erzählen." Und so zeigt sie sehr berührend den Aufbruch einer jungen Frau, die sich genau wie ihr Heimatland nach einer besseren Welt sehnt. Kira wird zu einem Spiegel der Ukraine, die dem Zuschauer zuruft: "Ich bin auch da. Vergesst mich nicht."
Die Berlinale hört auf diesen Ruf – und bietet ukrainischen Künstlern, wie Alisa Kovalenko, eine Bühne. Sie hat nach Kriegsausbruch selbst gekämpft, war für ein paar Monate als Freiwillige an der Front. Erst dann konnte sie wieder daran denken, ihren Dokumentarfilm fertig zu stellen. "Als die Großoffensive begann, verlor ich meinen Glauben an das Kino. Nun habe ich ihn wiedergefunden", sagt Kovalenko. "Die Berlinale ist so wichtig, weil wir hier unsere Erfahrungen mitteilen können, vor allem mit Hilfe von Filmen. Weil das Kino einen emotional berühren kann. Genau wie ihr Film "We Will Not Fade Away", für den sie drei Jahre lang Jugendliche in der Donbas-Region begleitete. Im Osten der Ukraine herrscht seit 2014 Krieg. "Mein Film ist über die Macht von Träumen", sagt Kovalenko. "Ich wollte nicht einen traurigen Dokumentarfilm über weinende Kinder im Donbass drehen. Diese Kids lassen sich nicht unterkriegen, wollen Spaß haben. Obwohl die Welt um sie herum düster ist, versuchen sie, ihre Träume zu verwirklichen. Und deshalb wollte ich, dass mein Film wie ein Licht im Dunkeln wirkt." Ein Licht aus einer Gegend, die mittlerweile von Russland zwangsannektiert wurde. Die meisten Orte sind zerstört, die Teenager auf der Flucht oder verschleppt. Das ist die bittere Note der Geschichte.
Der Film "Eastern Front" - Gespräch mit den Regisseuren Vitaly Mansky und Yevhen Titarenko
Yevhen Titarenko dreht Bilder aus der Innenperspektive, die zeigen, was Krieg konkret bedeutet. Er betrieb eine Filmschule und Produktionsfirma auf der Krim vor der russischen Annexion 2014. Danach ging er als Dokumentarfilmer an die Front. Seit seiner Evakuierung vom Flughafen Donetsk im Februar 2022 arbeitet er als Freiwilliger für das Sanitätsbataillon Hospitaliter. Sechs Monate lang folgte er mit der Kamera einer Gruppe von Freunden, die als Rettungssanitäter Verwundete bergen und filmt Frontszenen im Osten genauso wie die Auszeiten im Westen des Landes, wo bei der Familie Fragen gestellt und Gespräche geführt werden. Der im lettischen Riga lebende Regisseur Vitaly Mansky ist die Stimme aus dem Off. Er schrieb das Drehbuch und führte mit Regie. Wir sprechen mit beiden auf der Berlinale.
Mehr zur Berlinale
Chinas Rolle als Vermittler zwischen Russland und der Ukraine - Gespräch mit Eberhard Sandschneider
Ein Jahr nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine präsentiert sich China als Konfliktlöser und möchte Frieden stiften. Ausgerechnet China, das bis heute den russischen Angriffskrieg nicht verurteilt hat. Zum einen will das Land neutral sein - auf der anderen Seite gibt es enge Verbindungen zu Russland und Putin. Nun präsentiert China einen Zwölfpunkteplan. Darin fordert es unter anderem einen Waffenstillstand und Friedensgespräche, um den Krieg zu beenden. Die Sanktionen gegen Russland sollen beendet, sowie die Atomanlagen gesichert werden. Außerdem fordert China, niemand solle mit Atomwaffen drohen und die Mentalität des Kalten Krieges müsse eingestellt werden. Vieles davon klingt nach Wunschdenken und wie das alles erreicht werden soll, bleibt im Unklaren. Zugleich wurde bekannt, dass Russland mit einem chinesischen Hersteller über 100 Drohnen verhandele, was China dementiert. Über die Rolle Chinas sprechen wir mit dem Politikwissenschaftler Eberhard Sandschneider.
Dörte Hansens Färöer-Doku "Inseln im Nebel"
Dörte Hansen, Schriftstellerin und Mainzer Stadtschreiberin 2022, hat in erfolgreichen Romanen, "Altes Land", "Mittagsstunde" und zuletzt "Zur See", das Leben und die Mentalität der Menschen Norddeutschlands geschildert. Gemeinsam mit dem Kameramann und Dokumentarfilmer Sven Jaax zieht es sie aber immer wieder noch viel weiter in den hohen Norden, und besonders auf die Färöer. Beide lieben diese schroffen Inseln, das raue Wetter, die Einsamkeit und die Natur – und sie sind mit dieser Liebe nicht allein. Die 18 kleinen Inseln im Nordatlantik sind eine Traumlandschaft für Großstadtmüde und Gestresste, sie lösen Sehnsucht aus. Die Welt scheint dort noch heiler und der Mensch noch eins mit der Natur zu sein. Wochenlang haben Dörte Hansen und Sven Jaax die Inseln durchstreift, mit vielen Menschen gesprochen - und sich beständig selbst befragt: Was ist so faszinierend an den Färöern? Was suchen wir, die Fremden, dort? Und was macht unsere Sehnsucht nach den Inseln mit den Menschen, die dort leben? Der dabei entstandene Dokumentarfilm ist ab dem 25. Februar in der ZDF-Mediathek zu sehen und am 5. März in 3sat.