Kultur
"Kulturzeit" vom 26.05.2025: Russland - Kampf um die Vergangenheit
Die Themen der Sendung: Memorial-Gründerin Scherbakowa, Börne-Preis an Dan Diner, Cannes-Gewinner, Marcel Ophüls, Kairos-Preisträger.
- Produktionsland und -jahr:
-
Deutschland 2025
- Datum:
- Verfügbar
- weltweit
- Verfügbar bis:
- bis 27.08.2025
Die Themen der Sendung:
Memorial – Erinnern ist Widerstand
1987 – Michail Gorbatschows "Glasnost und Perestroika" hatten seit kurzem die erstarrte Sowjetunion aufgerüttelt – da wurde in Moskau eine Organisation gegründet, die sich schnell über das ganze Land ausbreitete: Ihr Ziel: Die stalinistische Gewaltherrschaft und die Repressionen der Jahrzehnte nach Stalins Tod aufzuarbeiten, den Millionen namenlosen Opfern eine Stimme zu geben, ihre Schicksale zu erzählen. Wichtigste Grundlage ihrer Arbeit war, dass unter Gorbatschow die bis dahin geschlossenen Partei- und Geheimdienstarchive geöffnet wurden. Aber schon sehr bald wurde die schmerzhafte Auseinandersetzung mit der Geschichte überlagert und verdrängt von ganz aktuellen und existentiellen Schmerzen: In Russland brach in den 1990er-Jahren ein unvorstellbares ökonomisches und soziales Chaos aus. Die Menschen mussten um ihr tägliches Überleben kämpfen. 1994 kam der erste Tschetschenienkrieg, 1999 der zweite. Russland lebte nur noch im Kampf mit der Gegenwart. Unter Putin geriet die zunehmend unbequeme "Memorial"-Organisation mehr und mehr unter Druck, weil sie begann, das neue Unrecht anzuprangern. Das Ende von "Memorial" wurde 2016 eingeläutet: Die Organisation musste sich als "ausländischer Agent" registrieren lassen, Ende 2021 wurde "Memorial" endgültig verboten. Im Oktober 2022 bekam "Memorial" den Friedensnobelpreis, am selben Tag wurde das Büro der Organisation in Moskau beschlagnahmt.
Börne-Preis an Dan Diner - Gespräch mit dem Preisträger
Der Historiker Dan Diner ist in Frankfurt am Main mit dem Ludwig-Börne-Preis 2025 geehrt worden. Der Preis ist mit 20.000 Euro dotiert. Der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit - der als diesjähriger Preisrichter entschieden hatte, dass der Preis an Diner geht - würdigte den 79-Jährigen als mutigen Aufklärer. In einer Zeit großer Verwirrung helfe der in Deutschland und Israel lehrende Historiker, "unsere Epoche immer neu zu reflektieren und zu verstehen". Diner verbindet einiges mit Hessen: Nach seiner Lehre als Feinmechaniker besuchte er den Aufbauzweig eines Gymnasiums in Schlüchtern, später studierte er Rechts- und Sozialwissenschaften an der Frankfurter Goethe-Universität. Der Preis, der an den Schriftsteller und Essayisten Ludwig Börne (1786-1837) erinnert, ehrt seit 1993 deutschsprachige Autoren und Autorinnen im Bereich des Essays, der Kritik und der Reportage. Frühere Preisträger waren unter anderem der Politiker Robert Habeck und der Schriftsteller Daniel Kehlmann. Wir sprechen mit Dan Diner.
Gewinner des Filmfestivals von Cannes 2025
Im französischen Cannes sind am 24. Mai die Filmfestspiele mit der Vergabe der wichtigsten Preise beendet worden. Die Goldene Palme ging an den Film "Un simple accident" des Iraners Jafar Panahi. Der Große Preis der Jury unter Vorsitz der französischen Schauspielerin Juliette Binoche ging an das Familiendrama "Sentimental Value" des Norwegers Joachim Trier. Der Preis der Jury ging zu gleichen Teilen an "Sirat" von Óliver Laxe und "In die Sonne schauen" der Berlinerin Mascha Schilinksi. Als beste Darstellerin wurde die Französin Nadia Melliti in "La petite dernière" geehrt. Den Preis für den besten Darsteller erhielt der aus der Netflix-Serie "Narcos" bekannte brasilianische Schauspieler Wagner Moura für seine Rolle in "The Secret Agent".Der französisch-belgische Spielfilm "Jeunes Mères" ("Junge Mütter") erhielt den Preis der Ökumenische Jury der Kirchen. Bei dem Sozialdrama der beiden belgischen Brüder Jean-Pierre und Luc Dardenne handle es sich um einen Beitrag, der mit viel Wärme die Mutterschaft als "erste wesentliche Beziehung in jedem menschlichen Leben" auslote, hieß es. In "Jeunes Mères" stehen fünf junge Mütter im Mittelpunkt, die in einer sozialen Einrichtung leben und auf ein besseres Leben für sich und ihre Kinder hoffen.
Mehr zu Cannes
Kairos-Preis 2025
Das Künstlerpaar Holly Herndon und Mat Dryhurst erkundet die Chancen und Risiken Künstlicher Intelligenz für die Produktion von Musik. Für ihre Arbeit erhalten sie den Kairos-Preis 2025.
Filmregisseur Marcel Ophüls gestorben
Der bekannte deutsch-französische Regisseur Marcel Ophüls ist im Alter von 97 Jahren gestorben. Wie sein Enkel Andreas-Benjamin Seyfert mitteilte, starb der Dokumentarfilmer, Kritiker und politische Feuilletonist am 24. Mai in seinem Haus in Südwestfrankreich. Ophüls gehörte zu den prominentesten französischen Filmemachern. In seinen Werken räumte er insbesondere mit dem Mythos des französischen Widerstandes gegen die deutschen Besatzer während der Nazi-Zeit auf.
Ophüls wurde 1927 als Sohn des berühmten deutschen Regisseurs Max Ophüls in Frankfurt am Main geboren. Er arbeitete zunächst als Assistent für seinen Vater. 1963 drehte er mit "Heißes Pflaster" seinen ersten eigenen Spielfilm. In den darauf folgenden Jahren machte sich Ophüls vor allem als Dokumentarfilmer einen Namen. Dabei setzte er sich immer wieder kritisch mit der Zeit des Nationalsozialismus auseinander. Zu seinen erfolgreichsten Filmen zählen "Spuren der Gerechtigkeit - Nürnberg und die Folgen", "Das Pflichtmandat" sowie "Novembertage - Stimmen und Wege". "Das Haus nebenan", die Chronik einer französischen Stadt unter deutscher Besatzung, wurde in Frankreich zunächst nicht gezeigt, da Ophüls die französische Kollaboration anprangerte. Als sein Meisterwerk gilt "Hotel Terminus". Für den Dokumentarfilm über den stellvertretenden Gestapo-Chef in Lyon, Klaus Barbie, wurde Ophüls 1989 mit dem Oscar ausgezeichnet.