Kultur

"Kulturzeit" vom 20.02.2023: Putin und der totale Krieg

Die Themen der Sendung: Putins Propaganda und Goebbels Sportpalastrede, Sean Penn auf der Berlinale, Berlinale-Zoom Jugendkultur, Nachruf auf Volkmar Sigusch und der Künstler Abraham Poincheval.

Produktionsland und -jahr:
Deutschland 2023
Datum:
Verfügbar
weltweit
Verfügbar bis:
bis 20.04.2023

Die Themender Sendung:

Putin und der totale Krieg - Goebbels Sportpalastrede reloaded

Der Ukraine-Krieg ist für Putin zur Obsession geworden - denn seine Macht braucht den Sieg, um sich zu legitimieren. Befeuert von einer Propaganda, die das Volk glauben lässt, es gehe um etwas, das größer ist als das eigene Leben. "Das haben alle Diktatoren perfekt seit Jahrhunderten gemacht", sagt der Schriftsteller Michail Schischkin. "Leute glauben, ihre Heimat zu verteidigen. Vor den Feinden, vor den Faschisten. In Wirklichkeit verteidigen Sie das kriminelle Putinsche Regime." Michail Schischkin wurde einst in Russland als wichtigster Gegenwartsautor gefeiert, heute gilt er dort als "Verräter". Der Autor von "Frieden oder Krieg", der heute in der Schweiz lebt, will wachrütteln. Er zieht Parallelen zwischen Russland und Nazi-Deutschland. "Der ganze Hass von Hitler galt Juden, das war seine Obsession. Der ganze Hass von Putin gilt Ukrainern. Viele Leute verstehen nicht, wie Putin und seine Macht und seine Diktatur funktionieren. Deshalb muss man die Struktur zeigen. Und diese Struktur dieser Putinschen kriminellen Diktatur ist die gleiche wie bei Hitler."

Hitler habe es geschafft, das deutsche Volk seelisch zu verseuchen, Putin habe dies mit seinem Volk getan, so Schischkin. Mit einer Propaganda in Goebbels Stil - nur dass heute Moderatoren wie Wladimir Solowjow diese im Staatsfernsehen präsentierten. Entmenschlichung und Enthemmung - auf allen Kanälen. Solowjow sei der russische Goebbels von heute, meint Schischkin. "Er versteht, wenn Russland verliert hat er keine keine Chance zu überleben. Deshalb versucht die Propaganda, versuchen alle Leute um Putin herum diesen Krieg so total wie möglich zu machen."

Joseph Goebbels hält 1943 seine berühmt-berüchtigte Rede im Sportpalast
Joseph Goebbels hält 1943 seine berühmt-berüchtigte Rede im Sportpalast.
Quelle: Imago

"Der totale Krieg" - ein Begriff, den Joseph Göbbels geprägt hat. Mit dieser Forderung meint der Propagandaminister Hitlers den Lauf des Zweiten Weltkrieges verändern zu können. 1943 erleidet Deutschland in Stalingrad eine Niederlage. Das Regime befindet sich in seiner größten Krise. Am 18. Februar beschwört Goebbels im Berliner Sportpalast vor 15.000 handverlesenen Besuchern eine totale Kriegsführung, der sich alles unterordnen soll. "Göbbels versuchte die Situation zu nutzen, um sich weiter an die Spitze des Regimes vorzuarbeite", sagt der Historiker Peter Longerich. "Er wollte die Verantwortung für die gesamte innere Kriegsführung übernehmen. Und diese Rede war ein wichtiger Bestandteil seiner Strategie, sozusagen diejenigen, die in der Führung noch zögerten, mitzureißen und ihnen zu signalisieren: Das Volk will ja den totalen Krieg. Für den Historiker Longerich ist die Sportpalastrede ein Beispiel dafür, wie Propaganda stets den eigenen Machthunger als Volkswillen verkauft. Sein neues Buch "Die Sportpalastrede 1943" legt zentrale Motive dieser Propaganda offen. Die Selbststilisierung als Opfer mächtiger Feinde, denen man in historischer Mission entgegentritt.

Sean Penns Ukrainefilm "Superpower" auf der Berlinale

Als am 24. Februar 2022 Wladimir Putin mit der Invasion der Ukraine begann, hielten sich die Regisseure Sean Penn und Aaron Kaufman gerade zu Dreharbeiten für einen Dokumentarfilm über Wolodymyr Selenskyj in der Ukraine auf und wurden unversehens von der russischen Invasion eingeholt. Das erste von mehreren Interviews mit Selenskyj führte Penn in der Nacht der Invasion. Penn, tief betroffen von dem, was er in Kiew und auf einer Fahrt an die Grenze mit seinem Filmteam erlebte, wurde zum inoffiziellen Botschafter für die Ukraine und ihren untypischen Staatschef. Jetzt feiert ihr Film "Superpower" auf der Berlinale Weltpremiere.

Berlinale-Zoom: Jugendkultur

Afterparty bis zum Morgengrauen - endlich ist das wieder möglich auf der Berlinale. Über den Rausch der Jugend hat der Österreicher Patrick Chiha einen außergewöhnlichen Film gedreht. "Das Biest im Dschungel", nach einer Kurzgeschichte von Henry James. Bei Chiha spielt sie in der Pariser Partyszene der letzten Jahrzehnte. May trifft auf den mysteriösen John, der überzeugt ist: Sein Leben wird sich radikal ändern. Und er bittet sie, bei ihm zu bleiben – bis das Biest sich zeigt. Das Biest ist die Angst, sich auf jemanden einzulassen, meint Schauspieler Tom Mercier. Für Hauptdarstellerin Anais Demoustier ist das Biest die Liebe. "Sie fühlen sich voneinander angezogen, aber sie handeln einfach nicht. Dadurch verpassen sie nicht nur ihr Glück auf Liebe, sie vergeuden ihr Leben", sagt sie. Ein Leben in der Warteschleife für 25 Jahre. Aus Disko wird Techno und schließlich House. Regisseur Chiha fängt das Lebensgefühl gleich mehrerer Generationen ein.

Auch auf der Berlinale zu sehen ist die Verfilmung des Jugend-Romans "Sonne und Beton" von Felix Lobrecht. Eine Geschichte über vier Teenager, die im Hitze-Sommer 2003 ihren Platz im Leben suchen. Unterfinanzierte Schulen, überforderte Lehrer, Gewalt auf der Straße, Gewalt in der Sprache - um aus diesem Kreislauf aus Wut und Perspektivlosigkeit auszubrechen, schmieden die Freunde einen Plan. Ein ungeschönter Blick auf deutsche Jugendkultur, so wie ihn viele in Deutschland kennen – der aber zu selten im Kino gezeigt wird.

Auch der Italiener Giacomo Abbruzzese wollte hinschauen, wo es weh tut. Mit seinem ersten Spielfilm "Disco Boy" wurde er gleich zum Wettbewerb eingeladen. Darin beleuchtet er ein Milieu, über das in der EU gerne geschwiegen wird: die französische Fremdenlegion. Eine Söldner-Truppe, der sich junge Männer aus aller Welt anschließen – um französischer Staatsbürger zu werden. Junge Männer, die ihr altes Leben überschreiben wollen, und die an der Gewalt, die sie als Söldner erleben, zerbrechen.

Nachruf auf Volkmar Sigusch

Er galt als Pionier der Sexualmedizin in Deutschland. Lange hat Sigusch sich wie seine Vorreiter darum bemüht, Sexualität aus dem Zugriff der Psychiatrie zu holen, aus den pathologischen Zuschreibungen und "Abweichungen". 1972 gründete er das Institut für Sexualwissenschaft am Universitätsklinikum Frankfurt und war bis zu seiner Emeritierung und Schließung des Instituts im Jahr 2006 dessen Direktor. Sigusch etablierte in Frankfurt am Main die Sexualmedizin als eigenständige Disziplin. Er habilitierte sich weltweit als Erster im Fach Sexualwissenschaft und das von ihm verfasste Lehrbuch "Sexuelle Störungen und ihre Behandlung" gilt als Standardwerk der Sexualmedizin und Psychotherapie. Jetzt ist der Sexualwissenschaftler im Alter von 82 Jahren gestorben.

Abraham Poincheval

Abraham Poincheval läuft in Rüstung durch die Bretagne und filmt seine Begegnungen. Der Künstler, der bereits im Pariser Palais de Tokyo für Aufsehen sorgte, als er hinter Glas ein paar Eier ausgebrütete, will mit seiner Kunst Objekte und Denkweisen hinterfragen.

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