Kultur
"Kulturzeit" vom 03.03.2023: Neue Gewalt und Proteste in Israel
Die Themen der Sendung: Neue Gewalt und Proteste in Israel - Gespräch mit Moshe Zimmermann, Der Osten: eine westdeutsche Erfindung, Uwe Tellkamp und Lukasz Rietzschel im Streitgespräch, Nachruf auf Wayne Shorter und Kinderbuchtipps.
- Produktionsland und -jahr:
- Deutschland 2023
- Datum:
- Verfügbar
- weltweit
- Verfügbar bis:
- bis 03.04.2023
Die Themen der Sendung:
Pläne für Justizreform spalten Israel - Gespräch mit Moshe Zimmermann
Seit Wochen spaltet der geplante Umbau der Justiz in Israel das Land. Die Kritiker warnen, dass die umstrittenen Reformen die Demokratie und Gewaltenteilung untergraben und das Land Richtung Autokratie führen. Die Befürworter argumentieren hingegen, die ungewählten Richter hätten derzeit zu viel Einfluss auf die Geschicke des Landes und dieser Einfluss müsse zum Wohle Israels eingeschränkt werden. Wir sprechen mit dem Historiker Moshe Zimmermann.
Buch "Der Osten: Eine westdeutsche Erfindung"
Wer hierzulande vom Osten spricht, meint in der Regel die sogenannten neuen Bundesländer. Das sind die, denen vor 30 Jahren die blühenden Landschaften vorhergesagt wurden. Das hat vielerorts auch geklappt. Städte, wie Leipzig oder Weimar, aber auch viele Dörfer zwischen Rostock und Annaberg-Buchholz stehen optisch in vollem Glanz. Umso mehr wundert es, dass, wenn heutzutage das Wort "Osten" fällt, gleich eine ganze Assoziationskette von Zuschreibungen in Gang kommt. Unzufrieden, extremistisch, rassistisch und undankbar, sind die gängigen Attribute die mit dem "Osten" einhergehen. Mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung gelte der "Westen" schlechthin als die Norm und der "Osten" als die Abweichung, diagnostiziert der Literaturwissenschaftler Dirk Oschmann. Der Literaturprofessor von der Uni Leipzig wagt in seinem Buch "Der Osten: eine westdeutsche Erfindung", eine Bestandsaufnahme des kommunikativen Gefälles zwischen West und Ost. Er möchte damit einen Diskurs anregen über "die 30-jährige Geschichte individueller und kollektiver Diffamierung, Diskreditierung und eiskalter Ausbootung", wie er im Interview sagt.
Uwe Tellkamp und Lukasz Rietzschel im Streitgespräch
Die Schriftsteller Uwe Tellkamp (54) und Lukas Rietzschel (54) haben sich in der Dresdener Frauenkirche zu einer Debatte über das Thema Meinungsfreiheit getroffen. Zwei sächsische Schriftsteller, literarisch erfolgreich und auf politische Einmischung aus, aber damit hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Tellkamp antwortete zunächst nur in Reimen, die er meist vom Zettel ablas. Nach einer Viertelstunde gab er das nach mehrfacher Intervention der Moderatorin auf. Hin und wieder streute er aber auch später Verse ein, etwa den Spruch: "Bist du Anti, Trans und Klima, dann grünst du richtig, geht's dir prima." Wiederholt vertrat Tellkamp die Auffassung, Künstler würden in der Gesellschaft nur die Rolle von Narren ausüben. Lukas Rietzschel versuchte es mit Argumenten und gab sich versöhnlich. Einig waren sich die beiden nur in zwei Punkten: Zum einen, dass jeder in seiner eigenen Blase lebe, die die eigenen Ansichten bestätige. Zum anderen, dass jeder auch an anderen Auffassungen interessiert sei und neugierig auf fremde Lebenswirklichkeiten.
Tellkamp wurde vor allem mit seinem Bestseller-Roman "Der Turm" (2008) bekannt und hat vor Kurzem sein neues Buch "Der Schlaf in den Uhren" veröffentlicht. Lukas Rietzschel wurde einem breiteren Publikum bekannt mit seinem Roman "Mit der Faust in die Welt schlagen" (2018). 2023 wurde er mit dem Sächsischen Literaturpreis ausgezeichnet.
Jazz-Pionier Wayne Shorter gestorben
Er galt mit seinen ebenso lyrischen wie komplexen Kompositionen als einflussreicher Erneuerer des Jazz und als Pionier am Saxofon - nun ist Wayne Shorter im Alter von 89 Jahre gestorben. Sein Debüt feierte der 1933 in Newark im US-Staat New Jersey geborene Tenorsaxofonist im Jahr 1959, später sollte er Mitglied in zwei der bahnbrechendsten Jazz-Formationen werden: Die Jazz Messenger von Schlagzeuger Art Blakey und Miles Davis' Quintet, bekannt als das Second Great Quintet. Shorters Karriere umspannte mehr als 80 Jahre, in denen er mit zahlreichen Stars zusammenarbeitete. So gründete er 1970 die Jazz-Fusionband Weather Reporter mit, wirkte an rund zehn Alben von Folksängerin Joni Mitchell mit und ging unter anderen mit dem Gitarristen Carlos Santana und der Jazzrockband Steely Dan auf musikalische Entdeckungsreisen.
Viele Kompositionen Shorters zeichnete eine Balance aus struktureller Strenge und schwer zu greifenden, elliptischen melodischen Wendungen aus. Stücke aus seiner Feder wie "Speak No Evil", "Black Nile", "Footprints" und "Nefertiti" gelten als moderne Jazz-Standards. Über Shorters Wirken in Miles Davis' Second Great Quintet sagte einst der Starpianist Herbie Hancock, der der Formation ebenfalls angehörte: "Der Meisterkomponist war für mich, in dieser Gruppe, Wayne Shorter. Er ist immer noch ein Meister. Wayne war einer der wenigen Leute, die Musik zu Miles brachten, die nicht geändert wurde." Shorter veröffentlichte bis ins hohe Alter Dutzende Alben. Der Musiker war mehrfach verheiratet und praktizierender Buddhist - worauf auch seine Musik aufbaue, wie er einmal in einem Interview sagte: "Ich möchte, dass meine Musik die Zuhörer dazu bringt, sich zu erinnern, dass sie unsterblich sind."
Fotografien von Nan Goldin in Berlin
Die Kamera gehöre zu ihrem täglichen Leben wie Reden oder Essen oder Sex, sagt die US-amerikanische Fotografin und Aktivistin Nan Goldin. Mit ihrer Kamera hält sie alles fest, was passiert, damit es ihr später nicht entgleitet, die Erinnerung nicht verschwindet. Sie fotografiert gegen die Auslöschung. Ursprünglich wollte Nan Goldin Filme machen. Doch aus Geldgründen fängt sie an zu fotografieren und macht daraus Dia-Shows. Die berühmte und bahnbrechende Dia-Show "Die Ballade der sexuellen Abhängigkeit" ist ein fotografisches Tagebuch. Nan Goldin dokumentiert ihr Leben und ihre Freunde schonungslos, zeigt was Liebe ausmacht, Zärtlichkeit, Gewalt, Lust, Drogenkonsum. Dabei ist sie selbst mittendrin. In Boston lebt sie in einer Gemeinschaft von Dragqueens. Diese treffen sich in der legendären Bar "The Other Side". In den 1980er Jahren geht sie nach New York und lebt in der Queer-Community. Mit der Kamera zeigt sie, wie die AIDS-Krise ihren Freundeskreis erfasst. Die von Goldin gegründete Aktivistengruppe PAIN protestiert erfolgreich gegen die Finanzierung von Museen durch die Milliardärsfamilie Sackler. Die Sacklers sind reich geworden durch das abhängig machende Schmerzmittel "OxyContin", von dem Nan Goldin selbst betroffen war. In Berlin zeigt die Akademie der Künste nun in einer Ausstellung Fotografien von Nan Goldin aus fünf Jahrzehnten und am 3. März bekommt sie den Käthe-Kollwitz-Preis.