Kultur
"Kulturzeit" vom 14.03.2023: Iran und die Abkehr vom Islam
Die Themen der Sendung: "Iran ohne Islam", Evgeny Kissin, Marc Sinan "Gleißendes Licht" - Literaturgespräch mit Jan Drees, Nachruf Phyllida Barlow, Bonaventure Soh Bejeng Ndikung, Doku "Die Eiche".
- Produktionsland und -jahr:
- Deutschland 2023
- Datum:
- Verfügbar
- weltweit
- Verfügbar bis:
- bis 14.06.2023
Die Themen der Sendung:
"Iran ohne Islam. Der Aufstand gegen den Gottesstaat"
Jugendliche in den Straßen iranischer Städte sind voller Wut auf ein Regime, das im Namen Allahs tötet. Es herrscht der Aufstand gegen den Gottesstaat und seine Symbole. Bedeutet das entschiedene "Nein" an die Islamische Republik aber auch eine Abkehr vom Islam? "Iran ohne Islam" titelt das jüngste Buch der Iranistik-Professorin Katajun Amirpur. Der Klerus habe mit seiner menschenverachtenden Politik die Glaubwürdigkeit des Islam unterlaufen, so die Autorin. Die Bevölkerung Irans ist eine von unterschiedlichen Kulturen geprägte Zivilgesellschaft, dem Islam in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen, den Werten der westlichen Welt, aber auch dem Zoroastrismus. Katajun Amirpur spricht von zahlreichen Übertritten zur vorislamischen Religion – eine Rückbesinnung auf nationale, iranische Traditionen und ein radikaler Wertewandel.
Der Pianist Evgeny Kissin
Mit seinem Heimatland Russland hat er abgeschlossen. Als pianistisches Wunderkind wurde Evgeny Kissin für Sowjet-Propaganda benutzt, als Jude aber im eigenen Land diskriminiert. Einem wie ihm ist der israelische Staat Zuflucht und Rettung geworden. Doch jetzt, seit dort Netanjahu und seine rechts-religiöse Regierung versucht, nach alter Weise die Demokratie zu unterhöhlen, verliert auch Kissin ein weiteres mal sein Vertrauen in die Heimat Israel. Kissin, immer noch einer der bedeutendsten Pianisten unserer Zeit, der immer mehr Musiker um der Musik willen war, äußert sich immer häufiger politisch. Er ist ein vehementer Kritiker des russischen Systems, ein lautstarker Gegner des Krieges in der Ukraine, ein Fürsprecher für ukrainische Identität. Im Ausland jedoch sieht man in ihm weiter den Russen, der er nicht sein will. Wir sprechen mit dem Künstler über Identität, Herkunft, über Demokratie in Israel und die Forderung nach dem Canceln russischer Kultur.
Marc Sinan "Gleißendes Licht" - Literaturgespräch mit Jan Drees
Der deutsch-türkisch-armenische Komponist und Gitarrist Marc Sinan setzt sich schon lange mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts auseinander. Nun hat er seinen Debütroman veröffentlicht. Darin erzählt er von Völkermord, Opfer- und Täterschaft - und damit auch von seiner eigenen Familiengeschichte. Wir sprechen mit dem Literaturkritiker Jan Drees über "Gleißendes Licht".
Neuer HKW-Direktor Ndikung will Strategien für besseres Zusammenleben
Der neue Direktor Bonaventure Soh Bejeng Ndikung will mit dem Berliner Haus der Kulturen der Welt (HWK) nach Strategien für ein besseres Zusammenleben "in und mit dieser Welt" suchen. Dafür sollten im HKW Kulturen der Gastfreundschaft gepflegt werden, sagte Ndikung bei der Vorstellung seines Team und des Programms für die kommenden Jahre. Der neue Direktor will das Kultur- und Konferenzzentrum zu einem Haus der Begegnungen machen, in dem Kulturen nicht einfach präsentiert oder ausgestellt, sondern gelebt und erfahren werden. Mit einer Reihe von Konzerten und Performances soll das Haus vom 2. bis 4. Juni wiedereröffnet werden. Ndikung machte klar: "Im Haus der Kulturen der Welt gibt es keinen Raum für Hassreden und Gewalt jeglicher Art." Er sieht keinen Platz für Altersdiskriminierung, Antisemitismus, Geschlechterdiskriminierung, Homophobie, Islamophobie, Rassismus, Sexismus, Transphobie, Xenophobie oder dergleichen. Im Haus sollten "Liebe, Respekt und Großzügigkeit" gelebt werden. Damit reagierte er auch auf frühere Vorhaltungen, die ihn in die Nähe der antiisraelischen Boykottbewegung BDS gerückt hatten. Ndikung hatte dies zurückgewiesen und auf seine kuratorische Arbeit verwiesen mit sowohl israelischen wie jüdischen Künstlerinnen und Künstler, aber auch palästinensischen, lateinamerikanischen, asiatischen, afrikanischen sowie diasporischen Künstlerinnen und Künstlern.
Der aus Kamerun stammende Kurator und Kulturmanager Ndikung ist seit Januar Nachfolger des bisherigen Intendanten Bernd Scherer. Der promovierte Biotechnologe lehrt an der Kunsthochschule Weißensee in Berlin, ist Mitherausgeber zahlreicher Publikationen zu Kulturkritik und Ausstellungstheorie und war 2015 im kuratierenden Team der documenta 14 in Kassel und Athen. In Berlin, wo er studierte und nach einer Station in Frankreich auch wieder lebt, leitete er zudem den Kunstraum Savvy Contemporary.
Die Künstlerin Phyllida Barlow ist gestorben
Phyllida Barlow wurde mit raumgreifenden, oftmals provisorisch wirkenden Werken international bekannt, die sie unter anderem auf der Biennale von Venedig (2017) oder im Haus der Kunst in München (2021) präsentierte. In ihren Installationen aus ausrangierten, ungenutzten und alltäglichen Materialien vermittele sie ein Gefühl für die gescheiterte Utopie der Moderne, urteilte die Jury des Kurt-Schwitters-Preises, den sie 2021 erhielt, über ihre Kunst. Die 1944 geborene Bildhauerin und Mutter von fünf Kindern arbeitete mit Materialien wie Karton, Zement, Lehm, Kunststoffrohren oder Textilien. Auch Wertstoffmüll fand bei ihr Verwendung, etwa Glas, Stacheldraht, Latex, Schaum oder Industrieklebstoff. Erst als sie 2009 als Kunstprofessorin in Pension ging, kam ihre Karriere in Schwung. Im Oktober 2022 hatte die Künstlerin zuletzt im Sprengel Museum in Hannover ihr Werk "Breach" aufgebaut. Jetzt ist sie im Alter von 78 Jahren gestorben.
Der Dokumentarfilm "Die Eiche"
Eine 210 Jahre alte Eiche irgendwo in Frankreich führt eine faszinierende Co-Existenz mit zahlreichen anderen Lebewesen. Die Filmemacher dokumentieren das Ökosystem des Baums im Wechsel der Jahreszeiten, wobei sie sich ausgiebig der dramaturgischen Spannungsmittel des Erzählkinos bedienen und imposante Bilder präsentieren. Das mit enormem technischem Aufwand realisierte Werk wirkt wie ein Actionfilm mit Baum, Eichhörnchen, Ameisen und Waldmäusen, in dem ständig etwas passiert. Jetzt im Kino.