Kultur
"Kulturzeit" vom 19.04.2023: 80 Jahre Aufstand im Warschauer Ghetto
Die Themen der Sendung: 80 Jahre Aufstand im Warschauer Ghetto, bedrohte Pressefreiheit in der Ukraine, Dinçer Güçyeter "Unser Deutschlandmärchen" - Literaturgespräch mit Hubert Winkels und das Theaterstück "Ophelia's got Talent".
- Produktionsland und -jahr:
- Deutschland 2023
- Datum:
- Verfügbar
- weltweit
- Verfügbar bis:
- bis 19.04.2024
Die Themen der Sendung:
80 Jahre Aufstand im Warschauer Ghetto
Zum 80. Jahrestag des Aufstandes im Warschauer Ghetto hat sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zur deutschen Verantwortung für die Vernichtung der Juden bekannt und um Vergebung gebeten. Bei einer Gedenkveranstaltung in Warschau zusammen mit den Präsidenten Polens und Israels, Andrzej Duda und Izchak Herzog, bedankte er sich zugleich für die Versöhnung beider Staaten mit den einstigen Tätern. Diese sei ein "unendlich kostbares Geschenk", sagte Steinmeier laut vorab veröffentlichtem Redetext am Denkmal der Helden des Ghettos in der polnischen Hauptstadt. Deutsche hätten das Menschheitsverbrechen der Shoah minutiös geplant und durchgeführt. "Deutsche haben Europas Jüdinnen und Juden, die Jüdinnen und Juden Warschaus mit einer Grausamkeit und Unmenschlichkeit verfolgt, versklavt, ermordet, für die uns die Worte fehlen", sagte Steinmeier. "Ich stehe heute vor Ihnen und bitte um Vergebung für die Verbrechen, die Deutsche hier begangen haben." Er stehe hier "in Trauer und Demut". Der Bundespräsident betonte, die Deutschen wüssten um ihre Verantwortung und um den Auftrag, den die Überlebenden und die Toten ihnen hinterlassen hätten. "Wir nehmen ihn an. Für uns Deutsche kennt die Verantwortung vor unserer Geschichte keinen Schlussstrich. Sie bleibt uns Mahnung und Auftrag in der Gegenwart und in der Zukunft."
Das Warschauer Ghetto war im Herbst 1940 von den deutschen Besatzern errichtet worden. Rund 450.000 Menschen wurden dort auf engstem Raum eingeschlossen. 1942 begannen die Nationalsozialisten mit der Deportation der Juden in Vernichtungs- und Arbeitslager. Zwischen Juli und September wurden 250.000 bis 280.000 Menschen verschleppt oder ermordet. Als am 19. April 1943 SS-Einheiten in das Ghetto einmarschierten, begann der Aufstand des nur schwach bewaffneten jüdischen Widerstandes. Die Kämpfe dauerten bis Mitte Mai. Dabei wurden mehr als 56.000 Juden getötet oder in Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert. Die wichtigste Lehre aus der deutschen Geschichte laute "Nie wieder!", betonte Steinmeier. Die Deutschen hätten diese Lehre gelernt. Nie wieder, das bedeute, dass es in Europa keinen verbrecherischen Angriffskrieg wie den Russlands gegen die Ukraine geben dürfe. "Nie wieder, das bedeutet: Wir stehen fest an der Seite der Ukraine - gemeinsam mit Polen und mit unseren anderen Bündnispartnern. Wir unterstützen die Ukraine humanitär, politisch und militärisch - gemeinsam mit Polen und unseren Bündnispartnern."
Ukraine-Frontberichterstattung - Bedrohte Pressefreiheit?
Etwa 12.000 ukrainische und internationale Journalistinnen und Journalisten haben seit dem 24. Februar 2022 eine Akkreditierung erhalten, um über den russischen Angriffskrieg zu berichten. Viele von ihnen riskierten und riskieren ihr Leben, manche sind von russischen Streitkräften getötet worden. Und unter ukrainischem Kriegsrecht ist die Arbeit schwieriger geworden. Neue Regelungen erschweren die Arbeit nationaler und internationaler Journalisten zunehmend.
Dinçer Güçyeter "Unser Deutschlandmärchen" - Literaturgespräch mit Hubert WinkelsI
In den 1960er Jahren sorgten Millionen von Arbeitsmigranten für den Wohlstand der Bundesrepublik. Dinçer Güçyeter erzählt davon am Beispiel seiner eigenen anatolischen Familie, beschreibt ihre Armut und ihre Hoffnungen - auch die Knechtung von Frauen in patriarchalen Verhältnissen. Er folgt dem Weg der jungverheirateten Eltern, Mitte der 1960er Jahre nach Nettetal am Niederrhein. Es ist die Mutter, nicht der Vater, die alles jahrzehntelang am Laufen hält, aber das hat einen Preis: Die Mutter schuftet sich kaputt, auch der kleine Dincer verdient schon etwas dazu – aber dann sucht er Distanz zu dieser stickigen Welt, möchte schreiben und zum Theater. Das fühlt sich an wie Verrat an der Mutter. "Wir haben blind danach gestrebt, den Schmerz der Entwurzelung mit Geld zu heilen", sagt die Mutter am Ende eines Zwiegesprächs im Buch. Sie sagt auch, dass es schönere Träume hätte geben können.
Dinçer Güçyeter lebt auch heute noch immer in Nettetal. Er ist Verleger, preisgekrönter Lyriker und Erzähler. Seine Familiengeschichte ist für den Leipziger Buchpreis nominiert. Die Wurzeln zum Arbeitermilieu der Eltern hat er nie ganz gekappt, und bewahrt nun in seinem Buch die Anstrengungen und Qualen von Menschen, die sich ein Stück von dem Wohlstands-Märchen sichern wollten, das auch sie sich vom Weg in die Fremde versprochen hatten. Wir sprechen mit Literaturkritiker Hubert Winkels über den Roman.
"Ophelia's got Talent" von Florentina Holzinger
Die österreichische Choreografin Florentina Holzinger kreiert mit ihrer radikalen Theatersprache, dem Einsatz nackter Frauenkörper und atemberaubenden Stunts Hardcore-Revuen. Ihre jüngste heißt "Ophelia's got Talent", wird mit Trigger-Warnungen angekündigt und für Menschen über 18 Jahren empfohlen. Jetzt hatte sie im Wiener Volkstheater Österreich-Premiere. An der Volksbühne Berlin ist das Stück seit 2022 zu sehen.