Kind beim Kölner Karneval

Kultur

Ich bin kein Kostüm!

Sollte man sein Kind als Indianer zum Karneval gehen lassen? Dürfen sich weiße Schauspieler und Schauspielerinnen das Gesicht schwarz schminken? Oder Asiat*innen spielen? Die Debatte um kulturelle Aneignung erhitzt die Gemüter.

Produktionsland und -jahr:
Datum:

Ein Film von Karsten Gravert

„Kulturelle Aneignung“ – Damit ist meistens gemeint, dass Angehörige der weißen Mehrheit Bestandteile von Minderheitskulturen adaptieren, seien es nun Frisuren, Kleidung, Tanzstile, Sprechweisen oder – mithilfe von Schminke – Hautfarbe. Der Streit um die Kulturelle Aneignung ist von den USA nach Deutschland geschwappt. Während die einen fordern, dass Minderheiten nicht mehr ausgenutzt werden – auch nicht symbolisch –, wittern andere politisch korrekte Kleidungsverbote und eine neue Moralpolizei.

Schwarz geschminkt beim Kölner Karneval

Gruppe Kölner Karnevalisten
Der Karnevalsverein „Poller Böschräuber vun 1976“

Karnevalsvereine wie die „Poller Böschräuber vun 1976“ verkleiden sich beim Rosenmontagsszug bis heute als wilde Buschmänner mit schwarz angemalten Gesichtern. Helene Batemona-Abeke vom Kölner Forum gegen Rassismus und Diskriminierung empfindet das als herabwürdigend und rassistisch. Mit der Kampagne „Ich bin kein Kostüm!“ macht sie darauf aufmerksam. Auch Alice Hasters, Autorin des Buches „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten“, lehnt solche Verkleidungen ab. Denn auch wenn sie nicht böse gemeint seien, so hätten sie doch gewaltvolle Auswirkungen: Sie verfestigten das Bild, dass Schwarze primitiv seien.

"Würdigt uns. Engagiert uns. Bezahlt uns."

Portraitfoto Olivia Hyunsin Kim
Olivia Hyunsin Kim

Ob Scheich, Klischee-Indianer oder japanische Geisha – nicht nur beim Karneval, auch in Oper und Theater stellt sich die Frage nach der Kulturellen Aneignung. „Blackfacing“, das Schminken mit schwarzer Schminke, um schwarze Figuren darzustellen, ist mittlerweile weitgehend abgeschafft. Doch die Diskussion ist schon weiter. Mit dem Begriff „White washing“ kritisieren identitätspolitische Aktivistin*innen, wenn Weiße in Rollen schlüpfen, die nicht ihrer ethnischen Herkunft entsprechen. Eine Gruppe von asiatisch-stämmigen Künstler*innen kritisierte das Schauspiel Leipzig für das 2018 mit dem Mühlheimer Dramatikerpreis ausgezeichnete Stück „Atlas“. Dort schlüpfen weiße Schauspieler*innen in die Rollen von vietnamesisch-stämmigen Menschen. Die Choreografin und Performerin Olivia Hyunsin Kim kritisiert das und fordert: „Wir sind mehr als eure Inspiration! Würdigt uns. Engagiert uns. Bezahlt uns.“

Der Intendant des Schauspiel Leipzigs, Enrico Lübbe, nimmt die Kritik ernst, aber er stellt auch fest: „Nur eine Rolle besetzen zu können, weil jemand die Herkunft hat, wird irgendwann schwierig und ich glaube, auch für die Beteiligten einer Produktion wäre das extrem frustrierend und einengend.“ Wo würde es hinführen, wenn Rollen nach ethnischer Herkunft besetzt würden? Wenn Othello nur noch von Schwarzen, Winnetou nur noch von Apachen und der gute Mensch von Sezuan nur noch von Chinesen gespielt werden könnte?

"Verbotsunkultur forciert reaktionäre Kräfte"

Wolfgang Thierse
Wolfgang Thierse

Der Ex-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse empfindet die Forderungen von identitätspolitischer Seite als bedrohlich und fürchtet eine Spaltung der Gesellschaft: „Eine solche Art von Verbotsunkultur forciert eher reaktionäre und rechte Kräfte in unserer Gesellschaft. In dem Moment, wo man sagt: Ich erlaube niemand anderem, meiner Identität näherzukommen, indem er sie sich vorstellt, sich in sie einfühlt, stößt er den anderen zurück in seine Identität. Er zwingt ihn geradezu dazu.“

Alexander Klaws
Alexander Klaws

Viele kulturelle Praxen, die noch vor wenigen Jahren kaum Anstoß erregten, werden mittlerweile öffentlich problematisiert. So muss sich zum Beispiel der Winnetou-Darsteller bei den Karl-May-Spielen in Bad Segeberg, Alexander Klaws, mit dem Vorwurf des „Redfacing“ auseinandersetzen. Als er ein Foto von sich als Winnetou auf Instagram postete, hagelte es Kritik. Die deutsche Liebe zur Indianerverkleidung reproduziere rassistische Stereotype, sagt der Native American Dokumentarfilmer Red Haircrow. Auch wenn es aus Bewunderung heraus geschehe - ob bei den Karl-May-Spielen oder beim Karneval. Alexander Klaws meint: „Wenn sich mein Sohn als Indianer verkleidet, dann macht er das, weil er das toll findet. Ich möchte mich verkleiden, eine Feder tragen und diese Welt, diese Kultur damit ehren. Wie soll ich bitte meinem Sohn erklären, dass er das nicht darf?“

Mit eurozentristischen Traditionen brechen

Portrait Alice Hasters
Alice Hasters

Dem entgegnet die Autorin Alice Hasters: „Ich verstehe schon, dass das Kindheitsträume sind. Ganz viele Leute verbinden damit ganz viel Positives. / Aber es ist halt so, dass diese Dinge, auf einer gewissen Vorstellung über die Welt fußen, die eurozentristisch ist und die weiß über nicht-weiß stellt. Das ist halt so. Und wenn wir das loswerden wollen, dann müssen wir auch diese Traditionen loswerden.“

Was also tun? Die Dokumentation „Ich bin kein Kostüm!“ stellt Standpunkte, Probleme und Ideen für Kompromisse vor.

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