Kultur
Eine Hand voll Leben - Geschichte(n) vom Mais
In Mitteleuropa kennen wir Mais in der Hauptsache als Tierfutter und als Popcorn oder Cornflakes. Die vielen mediterranen Polenta-Variationen etwa blieben bislang kulinarische Nebensachen.
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Mais ist wie Brot oder Reis, für weite Teile der Erdbevölkerung ein Grundnahrungsmittel. Mehr noch, oft bedeutet eine Hand voll Mais buchstäblich eine Hand voll Leben. Das kann man sich dort, wo er tonnenweise in den Mägen hungriger Rinder verschwindet oder als Biokraftstoff in die Tanks durstiger Autos gefüllt wird, kaum vorstellen.
Schon vor mehr als 6.000 Jahren in Mexiko kultiviert
Seinen Ursprung hat Mais in Mexiko. Dort wurde er schon vor mehr als 6.000 Jahren - neue Studien sprechen sogar von 8.700 Jahren - kultiviert. Hervorgegangen ist er aus dem Wildgras Teosinte, das man noch heute in manchen Regionen Mexikos finden kann.
Mais - Teil der Schöpfungsgeschichte der Maya
Die Schöpfungsgeschichte der Maya hat durchaus auch eine heitere Note: Zunächst formten die Götter Menschenbilder aus Schlamm. Ihr Sprachvermögen war minimal und im Regen zerrannen sie. Danach probierten sie es aus Holz. Da vermehrten sie sich zwar rasch, vergaßen jedoch den Göttern zu danken. Eine Flut trieb sie darauf hin auf die Bäume, wo sie seither als Affen weiterlebten. Im letzten Versuch kneteten die Götter Menschenbilder aus Maismehl. Diese schließlich waren wissbegierig, klug und folgsam. Die verschiedenen Fruchtfarben des Mais symbolisieren dabei die unterschiedlichen Hautfarben.
In den religiösen Vorstellungen der Maya war der Lebenszyklus des Mais von der Aussaat bis zur Ernte das natürliche Sinnbild für Wesen und Wirken des Gottes. Im Werden und Vergehen der Frucht wiederspiegelten sich seine Abenteuer auf der Erde, aber auch in der Unterwelt. Er war Held und Schurke in einem und konnte in vielerlei Gestalt an vielerlei Orten das ganze Jahr hindurch erscheinen. Wichtigste und in unzähligen Darstellungen abgehandelte Eigenschaft des Maisgottes war seine Wiedergeburt.
Wie kam der Mais nach Europa?
Dazu werden einige Theorien entwickelt, denen zufolge der Mais nicht erst von den spanischen Eroberern aus der Neuen Welt importiert wurde. Der Kulturhistoriker Gerald Unterberger zeigt Möglichkeiten auf, wie der Mais schon viele Jahrhunderte vor Kolumbus Amerika verlassen haben könnte. Vielleicht auf transpazifischen Handelsrouten nach China und Indien?
Oder brachten ihn frühe kanarische Expeditionen über den Atlantik? Haben ihn danach die aus Nordafrika stammenden Almoraviden von den Kanarischen Inseln nach Spanien aber auch nach West- und Nordafrika und weiter in den Nahen Osten gebracht, von wo aus er mit Kreuzfahrers nach Italien und Mitteleuropa gelangte?
In Italien kulinarisch hoch geschätzt
In Italien wird Mais aber nicht nur als Tierfutter verwendet, er wurde als Polenta neben Pizza und Pasta zu einer de drei Säulen der so genannten "cucina povera“ - bekannt auch als "granoturco“, als "türkisches Korn“. Ein Name, der durchaus auf die Wanderschaft des Mais über Arabien oder gar Ostasien nach Europa hinweist. In Ostösterreich wird er auch "Kukuruz" genannt. Dieser Name kommt aus den östlichen Nachbarländern. In der Steiermark und in Kärnten gibt es eine rustikale Abart der Polenta - den Sterz. Insbesondere in den bäuerlichen Gegenden war er eine weit verbreitete, deftige Mahlzeit für alle Gelegenheiten.
Der Mais hat auf schwankenden Gefährten eine Reise angetreten und einmal als raffiniertes Gericht oder als deftige Hausmannskost, oft auch nur als eine Hand voll Leben, die Jahrtausende überstanden.