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Kultur

Wie Wien zur Weltstadt wurde - Teil 1 der Trilogie "Die Wiener Ringstraße"

Sie gehört zu den prachtvollsten Boulevards der Welt: die Wiener Ringstraße. Es war Kaiser Franz Joseph persönlich, der die neue Prunkallee vor mehr als 150 Jahren am 1. Mai 1865 in einem glamourösen Festakt eröffnete, obwohl die meisten Gebäude auf dem neuen Boulevard noch gar nicht standen.

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Der Bau des Rings war eines der größten städtebaulichen Projekte des 19. Jahrhunderts. 2,4 Millionen Quadratmeter wurden mit Gebäuden verbaut, 1,5 Millionen Quadratmeter hatten die Planer für Straßen, Plätze und Parkanlagen reserviert.

Die Ringstraße versammelt einen Stilmix aus fast allen Epochen und ist trotzdem aus einem Guss. Dem Gast ist sie Freilichtmuseum, dem Wiener selbstverständlich. Als der Kaiser vor 150 Jahren ein erstes Teilstück eröffnete, betrachteten sie viele eher kritisch. Und manches wurde zum "Skandal", weil die Zeit noch nicht reif war dafür …

Baustelle!

Parlament
Noch im Bau - das Parlament mit seiner anfangs so kritisierten Auffahrtsrampe
Quelle: ORF/Wien Museum

Seit Maria Theresia war das unverbaute Glacis vor der Stadtmauer beliebtes Ausflugsziel der Wiener. Bis sich Franz Joseph I. 1857 entschloss, die Befestigungen schleifen und die eng gewordene Stadt erweitern zu lassen. Johann Strauß fand auch dafür Noten und hob die Laune mit der "Demolierer-Polka".

Was später die Ringstraße werden sollte, war zunächst ein halbes Jahrhundert lang Baustelle, mit allem, was dazu gehört: Ausschreibungen und Interventionen, Rivalitäten, Bauverzögerungen und Kostenüberschreitungen. Öffentliche Gebäude wurden durch den Verkauf von Baugründen finanziert - kunstsinnige Bankiers und Kaufleute konnten sich an dieser ersten Adresse Renommee verschaffen.

Skandal!

Wiener Staatsoper
Das Opernhaus wurde von den Wiener Architekten August von Sicardsburg und Eduard van der Nüll geplant. Am 25. Mai 1869 wurde das Haus mit Mozarts "Don Giovanni" in Anwesenheit von Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth feierlich eröffnet.
Quelle: ORF/Clever Contents

Die Oper wurde als erster öffentlicher Ringstraßenbau in Angriff genommen. Das Architektenduo Sicardsburg und van der Nüll errichtete ein mit modernster Technik ausgestattetes Haus, was das Publikum freilich erst nach Einlass würdigte. Zuerst einmal gab es Spott und Häme für die uncharmante "Kiste", eine "versunkene" noch dazu. Nicht die Schuld der Architekten: Während des Baus hatte man das Straßenniveau angehoben.

Theophil Hansens Rampe am Parlament stand in der Kritik, ebenso Friedrich Schmidts neugotisches Rathaus. Im Burgtheater wurde die Akustik bemängelt, eine "Verschandelung" der Universität konnte verhindert werden … Hatten Gustav Klimts Bilder für die Burgtheater-Feststiege noch gefallen, trafen seine Fakultätsbilder für den Universitäts-Festsaal nicht mehr ganz den konservativen Ringstraßengeschmack. 1900 wurden sie erstmals in der Secession gezeigt - aufwühlend, verwirrend, nackt und abstrakt war das Dargestellte. Klimt zog die Bilder zurück. 1945 verbrannten sie in einem Schloss in Niederösterreich.

Weltberühmt!

Regenbogen-Parade
Heute auf der Ringstraße: die Regenbogen-Parade "Vienna Pride"
Quelle: ORF/Clever Contents

Überhaupt, die Secession: Hülle für eine Gruppe aufsässiger, die Moderne predigende Künstler. Joseph Maria Olbrichs Bau sollte an der Ringstraße, Ecke Wollzeile stehen, er wurde in die zweite Reihe an der Wienzeile protestiert. Aber auch dort ist der Jugendstilbau so weltberühmt, wie Klimts Beethoven-Fries, den er beherbergt.

Nichts Geringeres wollte der Life Ball viele Jahre lang zum Leben erwecken: "Für die Wiener Secessionisten, die für die Überwindung althergebrachter künstlerischer und gesellschaftlicher Wertvorstellungen kämpften, war Ver Sacrum, das antike Frühlingsfest, Leitbild und hat als Metapher für den Life Ball Gültigkeit", so Organisator Gery Keszler. Der Heilige Frühling, ausgedrückt in Klimt, Gold, Jugendstil-Ornamentik beim Life Ball jedes Jahr im Mai im und vor dem Rathaus an der Ringstraße.

Platzangebot!

Burgtor
Das Burgtor - Zugang zu Heldenplatz und Hofburg - links im Bild das noch im Bau befindliche Naturhistorische Museum
Quelle: ORF/Wien Museum

Ein "Kaiserforum" sollte entstehen. Der Plan dünnte aus, der Heldenplatz repräsentiert heute nur einen Teil des Gewollten. Als Meisterleistung ragt das Reiterstandbild Erzherzog Karls auf, doppelt lebensgroß, schwer wie ein Eisenbahnwaggon. Der Bildhauer Anton Fernkorn brachte es fertig, das Pferd auf lediglich zwei Punkten ruhen zu lassen: Die Hinterbeine sind mittels Schraubbolzen tief in den Sockel hinein verlängert.

Ein Bürgerforum sollte entstehen mit Rathaus, Parlament und Universität. Das dafür vorgesehene Gelände "verteidigte" allerdings das Militär als seinen Exerzier- und Paradeplatz. Eine Anekdote überliefert: Der Kaiser habe sich von der zivilen Nutzung überzeugen lassen, weil er sich bei einer Parade auf dem schlammigen Platz nasse Socken geholt hätte.

Bildung!

Wr. Universität .- Der Bau erfolgt in den Jahren 1873 bis 1884 nach den Plänen des Architekten Heinrich von Ferstel .
Der Bau der Wiener Universität erfolgt in den Jahren 1873 bis 1884 nach den Plänen des Architekten Heinrich von Ferstel.
Quelle: ORF/Wien Museum/Birgit und Peter Kainz

Ab den 1870er Jahren errichtete Heinrich von Ferstel die Universität im Stil der Renaissance, neue Hülle für Forschung und Lehre. Als Institution setzt die Universität Wien der Ringstraße noch ein halbes Jahrtausend drauf und feierte 2015 ihr 650-jähriges Jubiläum!

Der Umgang mit den Wissenschaften ist Spiegel der Zeit: Herzog Rudolf IV. gründete anno 1365 - mit Bewilligung des Papstes - die Alma Mater Rudolphina Vindobonensis für das Studium in allen "erlaubten" Wissenschaften. Aus dem gingen bald Forscher ersten Ranges hervor. Im Zuge der Reformation verlor die immer noch "päpstliche Einrichtung" an Prestige. Dagegen steuerte die Berufung der Jesuiten nach Wien. Maria Theresia forcierte wiederum die "weltlichen" Studien. Ihr Leibarzt van Swieten revolutionierte die medizinische Ausbildung. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurden Protestanten und Juden, Ende des 19. Jahrhunderts Frauen zum Studium zugelassen.

Wie Wien zur Weltstadt wurde

Wr. Staatsoper. Am 25. Mai 1869 wurde das Haus mit Mozarts "Don Giovanni" in Anwesenheit von Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth feierlich eröffnet. (Von den Wiener Architekten August von Sicardsburg und Eduard van der Nüll
Ein noch junger Boulevard - Die Ringstraße Richtung Staatsoper
Quelle: ORF/Wien Museum/Birgit und Peter Kainz.

Auch heute noch präsentiert sich die Ringstraße als eindrucksvolles Gesamtkunstwerk, in dem die imperiale Kultur des kaiserlichen Wien und die großbürgerliche Repräsentations-Architektur der "Belle Epoque" eine geglückte Liaison eingingen. Bis heute locken Bauten wie das Wiener Rathaus und das Parlament, aber auch Kulturpaläste wie die Staatsoper und das "Kunsthistorisches Museum" jedes Jahr Millionen Touristen nach Wien.

Die Ringstraße war im Lauf der letzten eineinhalb Jahrhunderte aber immer wieder auch politisches Aufmarschgebiet: ob beim Staatsbegräbnis für Kaiser Franz Joseph 1916 oder bei den Massenkundgebungen der Wiener Sozialdemokratie zum 1. Mai - der Ring fungierte stets auch als Defilierfeld politisch widersprüchlicher Massenbewegungen. Heute ist der Ring mehr als eine prachtvolle Museumsmeile - er präsentiert sich auch als vitaler städtischer Erlebnisraum. Von der "Regenbogen-Parade" bis zum Massenspektakel des "Wien-Marathons": der Ring lebt - und manchmal bebt er auch. Ein Boulevard der Kontraste.

Dokumentation von Günter Kaindlstorfer.

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