Gesellschaft
Schöne neue Shoppingwelt
Unser Kaufverhalten hat sich durch das Internet radikal verändert: ob Einkaufsbummel oder Weltreise, hier gibt es alles: zu jeder Zeit und zum vermeintlich kleinsten Preis inklusive hastigen Lieferboten und Paket-Abholstationen.
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Die Dokumentation fokussiert sich auf den Umbruch, den die Digitalisierung für den Handel und das Konsumverhalten bedeutet: von der erfolgreichen Social Media Werbe-"Influencerin" Vreni Frost über das Wiener Traditionsunternehmen, das schließen muss bis hin zu verödeten Ortskernen, bei denen man die einst belebten Geschäftsstraßen nur mehr erahnen kann.
Das Internet hat tatsächlich unser Kaufverhalten und unsere Kaufgewohnheiten komplett verändert: Den Einkaufsbummel erledigt man online, das Essen ordert man per App und Fahrradboten, mal hastig in der Mittagspause im Büro, mal ganz gemütlich am Abend auf der Couch. Willkommen in der Liefergesellschaft, wo Päckchen statt Menschen den Markt am Laufen halten und klassisches "Window-Shopping" schon als "slow shopping" gilt. Der Historiker Frank Trentmann, Autor des Buches "Die Herrschaft der Dinge", konstatiert: "Die Digitalisierung hat einen neuen Schub der Geschwindigkeit mit sich gebracht. Ein wichtiger Grund für den Aufstieg des Konsums ist, dass er mit einer Erwartungshaltung kam, mit dem Warten auf das Glück. Heute ist man daran nicht mehr gewöhnt auf den Erhalt von Konsumgütern zu warten."
Alles und das sofort
Quelle: ORF/Constanze Griessler, Franziska Mayr-Keber
Und so boomt der Online Handel. "Der Kunde ist illoyal", so Handels-Expertin Hania Bomba. Für ein tolles Schnäppchen im Netz ist ganz schnell egal, ob Steuern im Inland bezahlt werden. "Natürlich stöhnt der Einzelhandel, aber der Einzelhandel hat sich viele Jahre lang ausgeruht, da haben einige vielleicht den richtigen Zeitpunkt verschlafen.", so Judith Williams, Unternehmerin und Teleshoppingqueen eines Verkaufssenders, der nach wie vor Umsatzsteigerungen verzeichnet. 6 Prozent im letzten Jahr, bei einem Netto-Umsatz von 754 Millionen Euro.
Im Netz gibt es alles und das sofort und tunlichst zum kleinsten Preis. Das freut nicht jeden, denn die sogenannte "On-Demand-Economy" bringt so manches Traditionsunternehmen zum straucheln. So muss auch das 1868 gegründete Wiener Haushaltswarengeschäft "Slama" nun seine Pforten schließen. "Viele lassen sich beraten, nutzen unsere Schauräume um Produkte kennenzulernen und bestellen dann einfach online, das ist heute Realität... Gegen Jemanden, der nur am Computer sitzt und eine Lagerhalle hat, die nicht frequentiert sein muss, haben wir einfach keine Chance. Wir haben viel Umsatz verloren." klagt Claus Slama und ist damit nicht allein.
Konsumieren, warum überhaupt?
Aber, warum konsumieren wir überhaupt? Der Historiker Frank Trentmann hält in seinem Opus Magnum "Herrschaft der Dinge", der Weltgeschichte des Verbrauchs, fest: "Konsum ist ein wesentlicher Teil unserer sozialen Identität. Über die Dinge drücken wir uns aus und treten mit anderen in Beziehung." Das bestätigt auch Teleshoppingqueen Judith Williams: "Jeder Mensch hat sieben paar Schuhe? Na, ich hab ja alleine schon mal sieben schwarze High Heels!" Williams betreibt einen florierenden Homeshopping und Onlinehandel für Beautyprodukte und auch sie selbst liebt Teleshopping: "In einem Geschäft hört man heute kaum noch mehr "Guten Tag", bekommt keine Beratung. Bei mir bekommen das die Menschen. Ich bin authentisch".
Quelle: ORF/Constanze Griessler, Franziska Mayr-Keber
Auch die Werbung für die begehrten Konsumgüter hat sich radikal verändert, immer wichtiger werden so genannte "Influencer" , die auf Youtube und Instagram als Werbeträger fungieren. Wie Bloggerin Vreni Frost aus Berlin, die von sich selbst sagt: "Ich bin ein richtiges Konsumopfer". Und: "Ich verdiene mein Geld komplett über Werbung." Als eine der wenigen InfluencerInnen spricht sie auch über Geld: "Wenn wir ein Instagram-Foto verkaufen, dann beläuft sich das auf rund 500 Euro. Ein großes Package mit Blogpost, Instagram, Facebook beläuft sich auf etwa 2000 Euro."
Man klickt sich durch Seiten, gibt Kreditkartendaten ein, statt an der Kassa zu stehen. Jeden Tag hat man ein neues Sonderangebot im Email-Postfach - den Höhepunkt des Jahres bildet der "Black Friday", an dem auch das Internet zum wahren "Schnäppchen- Paradies" wird. Und statt die erstandenen Schätze in großen Säcken heim zu schleppen und sich mit anderen um das begehrte Sortiment zu prügeln, stapeln sich "amazon"- und "zalando"-Schachteln - wenn man die bestellte Ware nicht ohnehin wieder zurückschickt. Das neue Kaufverhalten der KonsumentInnen in den westlichen Industriestaaten verändert nicht nur die Branche, die Gesellschaft und den städtischen Raum.
Allein im Bereich Fashion wird jedes zweite Paket zurückgeschickt, bis zu 13 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle landen jährlich in den Ozeanen. Derzeit werden 311 Millionen Tonnen Plastik pro Jahr produziert, Tendenz steigend.
Trendumkehr in Richtung Minimalismus?
Quelle: ORF/Constanze Griessler, Franziska Mayr-Keber
Doch immer mehr Menschen denken um, entschließen sich minimalistisch zu leben, weniger zu konsumieren oder Müll gar nicht erst entstehen zu lassen. Den sogenannten "Zero Waste-Lifestyle" erprobt Annemarie Miesbauer seit 2016 und bloggt darüber. Selbst als junge Mutter sei es möglich Abfall zu vermeiden und ihrem Ziel zumindest nahe zu kommen: der Müll eines Jahres soll in ein 1,5 Liter Glas passen. "Ich kenne das Gefühl, dass man sich belohnen will, Doch heute liegt die Belohnung darin, eben nicht zu konsumieren, ich fühle mich leichter, unbeschwerter", so Annemarie Miesbauer. Minimalistisch leben, bewusst Einkaufen, auf faire Produkte setzen, Online-Monopole boykottieren, all das hat heutzutage einen hohen "lifestyle-Faktor." Und als der britische Künstler Michael Landy 2001 all sein Hab und Gut als 14-tägige Performance zerkleinern ließ, lockte das nicht nur 50.000 Menschen an, es machte ihn über Nacht berühmt. Dass der Konsument allein die Schattenseiten des Konsums bewältigen kann, von der Ausbeutung der Umwelt und Menschen bis hin zur Steuerflucht der Online-Giganten, glaubt Frank Trentmann allerdings nicht: "Meiner Ansicht nach sollten wir Konsum als solchen nicht verteufeln - wohl aber überlegen, wie wir ihn besser steuern können, um die Umweltschäden zu verringern, die wir überall in der Welt sehen. Am Ende könnten Modelle stehen, wie wir Konsum in einer gesellschaftlich intelligenteren oder produktiveren Weise nutzen."