Gesellschaft
Amazon - Die ganze Welt im Pappkarton
Vor 25 Jahren verkaufte Amazon-Gründer Jeff Bezos 20 Bücher pro Tag. Heute ist sein Unternehmen globaler Marktführer im Onlinehandel - und bläst zur Eroberung des letzten weißen Flecks.
- Produktionsland und -jahr:
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Deutschland 2020
- Datum:
158 Pakete pro Sekunde, fünf Milliarden im Jahr. Alles sofort und überallhin zu verkaufen, selbst an die entlegensten Orte der Welt, und jeden noch so kleinen Kundenwunsch umgehend zu erfüllen - das ist die Obsession von Amazon-Gründer Jeff Bezos. Die Innovationsmaschine aus Seattle revolutioniert Wirtschaft und Konsumgewohnheiten weltweit.
Dabei fing alles ziemlich klein an. 1994 war das, in einem Vorort von Seattle. Man war zu dritt. "Wir waren zwei Programmierer, die sich um die Software kümmerten und Jeff, der das Geschäftsmodell entwickelte", erinnert sich Paul Davis, einer der beiden Coder. "In der Zeit verschickten wir maximal 20 Bücher am Tag." 25 Jahre später gibt es über 250 Logistikzentren, die fünf Kontinente beliefern.
Digitaler Durchmarsch
Amazons Erfolg interessiert Stacy Mitchell. Sie leitet ein Forschungszentrum, das die Entwicklung der amerikanischen Wirtschaft untersucht. Seit 10 Jahren beobachtet sie Amazon, mit unverhohlenem Unbehagen.
"Amazon ist wie eine unsichtbare Kraft in vielen Wirtschaftsbereichen", erzählt sie. "Buchhandlungen, Spielzeugläden, Baumärkte. Unsichtbar breitet sich Amazon überall aus." Das Problem dabei: "Jeder neue Arbeitsplatz bei Amazon kostet zwei Arbeitsplätze in bestehenden Unternehmen", erklärt Mitchell.
E-Commerce-Plattform für die ganze Welt
In den USA kontrolliert Amazon bereits 50% des gesamten Online-Handels. Das Unternehmen ist führend in den Bereichen Kleidung, Elektronik, Bücher, DVDs, Körperpflege- und Schönheitsprodukte. Ein immer wichtigeres Geschäftsfeld ist das Unterhaltungsbusiness: Streaming von Filmen und Musik sowie Videospiele.
Die Übernahme der Bio-Supermarktkette Whole Foods als Amazons Einstieg ins Lebensmittelgeschäft gilt als geglückt. Versicherungen und Medikamente geraten ins Blickfeld. Im zukunftsträchtigen Cloudgeschäft ist Amazon Marktführer. Die Strategie, so Mitchell, sei "die E-Commerce-Plattform für die ganze Welt zu sein."
Die Eroberung Indiens
Nach den USA übernimmt Jeff Bezos den Onlinehandel in England, Deutschland, Frankreich, Japan, Kanada, Italien, Spanien, Brasilien, Mexiko und Australien. Zur Zeit findet ein Kampf um die Vorherrschaft in Indien statt, der letzte große, weiße Fleck auf der Weltkarte. Der Markt gilt als schwierig, da kleinteilig und abgeschottet. Aber es lockt ein geschätztes Umsatzvolumen von 100 Milliarden Dollar.
Indien ist die am schnellsten wachsende große Volkswirtschaft. In den letzten Jahren haben rund 200 Mio. Inder zur Mittelschicht aufgeschlossen. Damit steigt die Zahl der Internetnutzer und Online-Konsumenten, potentielle Kunden von Amazon. Der Online-Handel wächst jährlich um 30%.
Mehrere Player führen einen milliardenschweren Handelskrieg: Amazon, der indische Marktführer Flipkart - gegründet von zwei Ex-Amazon Mitarbeitern - und Paytm, ein junges Unternehmen, in das sich der chinesische E-Commerce-Riese Alibaba eingekauft hat. Und nun wirft auch noch Reliance Industries seinen Hut in den Ring.
AWS: Amazons Cashcow
Über 5 Mrd. Dollar hat Jeff Bezos in den letzten Jahren investiert und dabei knapp 900 Mio. Verlust gemacht. Enorme Summen zu investieren, häufig mit Verlust, ist die Basis von Amazons globaler Strategie.
Leisten kann sich der Konzern dies aufgrund seines margenstarken Cloudgeschäfts: Die wenig bekannte Sparte Amazon Web Services (AWS) generiert zwar nur 10% der Umsätze, aber rund 60% der Gewinne. Mit diesen Einnahmen treibt Jeff Bezos die Expansion in andere Märkte voran.
Echte Konkurrenz
In Indien trifft er nun jedoch auf ebenbürtige Gegner. Der große Amazon-Rivale Alibaba verfolgt eine sehr ähnliche Strategie: Die Gewinne auf dem chinesischen Heimatmarkt finanzieren die Expansion im Ausland - Paytm ist Alibabas indisches Vehikel.
Und dann ist da noch der Tycoon Mukesh Ambani. Dessen Konglomerat Reliance Industries, größter Konzern des Landes, verdient sein Geld vorwiegend im Öl- und Gasgeschäft. In den letzten vier Jahren hat Reliance den indischen Telekommunikationsmarkt aufgerollt. Jetzt bläst Ambani zum Einstieg in den Onlinehandel. Hilfreich dabei: Größter Einzelhändler ist man schon.
Amazons Durchmarsch in Indien ist also keineswegs sicher.