Gesellschaft
"Fliegen wird teurer werden"
Es klingt paradox: Obwohl die Leute immer mehr fliegen, kämpfen die Airlines ums Überleben. Luftfahrt-Experte Volker Thomalla spricht im Interview mit dem Wirtschaftsmagazin makro von einer großen Konsolidierung.
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Der ruinöse Preiskampf am Himmel hinterlässt Spuren bei den Luftfahrtgesellschaften. Das ist in Deutschland so und auch in Europa. "Ich rechne damit", sagt der Luftfahrtexperte Volker Thomalla, "dass am Ende nur vier, fünf große Airline-Konzerne mit mehreren Tochtergesellschaften übrig bleiben."
Für die Fluggäste wird die Zeit der Schnäppchenpreise daher früher oder später enden. Mit Blick aufs Klima wäre das eine gute Nachricht. Zum einen ist schwer vermittelbar, dass Fliegen billiger sei als Bahnfahren, zum anderen ist mit hohen Entwicklungskosten für saubere Antriebstechnologien zu rechnen.
makro: Wird der Luftverkehr weiterhin so wachsen können wie bisher?
Volker Thomalla: Alle Prognosen deuten darauf hin, dass der weltweite Luftverkehr auch künftig mit einer Rate von 4 bis 5 Prozent pro Jahr wachsen wird. Dieses Wachstum ist allerdings nur möglich, wenn dafür die Infrastruktur sowie qualifiziertes Personal zur Verfügung stehen.
Zur Person
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Der Luftfahrtjournalist Volker K. Thomalla schreibt seit 1984 über die Luft- und Raumfahrtbranche.
makro: Wo wäre in Deutschland überhaupt noch Wachstum möglich?
Volker Thomalla: Die großen Flughäfen in Deutschland wie Frankfurt und München kommen langsam an ihre Kapazitätsgrenzen. Flughäfen wie Berlin-Tegel beispielsweise arbeiten über ihren Limits und haben keine Wachstumskapazitäten mehr. Aber die Flughäfen in der zweiten Reihe sowie Regionalflughäfen haben auch in Deutschland ausreichend Kapazitäten, um weiteres Wachstum zu ermöglichen.
makro: Die Zahl der Fluggesellschaften ging zurück in den vergangenen Jahren - wie viele werden übrig bleiben?
Volker Thomalla: Derzeit findet eine Konsolidierung des Marktes bei den Fluggesellschaften in Europa statt. Ich rechne damit, dass am Ende nur vier, fünf große Airline-Konzerne mit mehreren Tochtergesellschaften übrig bleiben. Allerdings hat die Vergangenheit gezeigt, dass sich überall dort, wo im Luftverkehr eine Konsolidierung stattfindet, auch wieder neue Anbieter finden, die interessante Nischen im Markt erschließen. Als Ryanair 1993 mit dem Geschäftsmodell Billigflug auf den Markt kam, hat wohl kaum jemand damit gerechnet, dass daraus eine der größten Fluggesellschaften Europas entstehen würde.
makro: Wird Fliegen irgendwann wieder teurer werden?
Volker Thomalla: Ja, Fliegen wird teurer werden. Trotz eines Riesen-Angebots auf den Transatlantik-Strecken zwischen Europa und Nordamerika sind die Tickets in diesem Sommer so teuer wie seit Jahren nicht mehr. Flugpreise, die günstiger sind als die Bahnfahrt zum Flughafen, sind ein geschicktes Marketing-Instrument, spiegeln aber nicht die Wirklichkeit wider. Trotzdem gilt: Auf absehbare Zeit wird das Fliegen für eine breite Masse der Bevölkerung erschwinglich bleiben.
makro: Klimaschutz ist für immer mehr Menschen ein wichtiges Anliegen: Rechnen Sie damit, dass die Leute deshalb künftig weniger fliegen werden als heute?
Volker Thomalla: Ich rechne nicht damit, dass viele Menschen aus Klimaschutzgründen weniger fliegen. Man kann beispielsweise durch die Unterstützung von verschiedenen Projekten auch heute schon seinen CO2-Ausstoß durch das Fliegen kompensieren. Die Branche ist sich ihrer Verantwortung für die Umwelt bewusst und hat sich nach dem Pariser Klimaabkommen verpflichtet, ab nächstem Jahr das Wachstum des Luftverkehrs vom Wachstum der CO2-Emissionen abzukoppeln.
Das heißt konkret: Trotz mehr Flügen keinen zusätzlichen CO2-Ausstoß. Das ist extrem ehrgeizig. Bis 2050 will die Luftfahrtindustrie ihren CO2-Ausstoß sogar auf die Hälfte des Niveaus von 2005 zurückfahren. Dafür sind unter anderem neue Technologien notwendig wie beispielsweise Hybridantriebe, an denen derzeit mit Hochdruck geforscht wird.
Das Interview führte Günther Neufeldt.