Gesellschaft
Klimastrategie: "Das ganze Ding neu denken"
Wie lässt sich Wirtschaft Richtung Nachhaltigkeit und Klimaschutz umbauen? Das Wirtschaftsmagazin makro sprach mit der Ökonomin Maja Göpel. Sie ist überzeugt, Preise müssen die ökologische Wahrheit sagen.
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makro: Die Nationale Industriestrategie von Bundeswirtschaftsminister Altmaier hat Ihrer Meinung nach starke Defizite. Woran hapert es denn da?
Maja Göpel: Wenn man das Wort Umwelt eingibt, kommt das in der Strategie genau zweimal vor. Und zwar in dem Sinne, dass das Erlassen von Umweltgesetzen in Deutschland zu Wettbewerbsnachteilen geführt hat. Das ist genau die falsche Perspektive: Im Grunde genommen geht es darum, dass Wirtschaft und Ökologie zusammengehören.
In einer Welt, in der die Ressourcen immer knapper werden, ist es von großem Vorteil, wenn ich sehr effizient mit ihnen umgehe. Das bewirkt Umweltgesetzgebung. Das heißt, wenn ich nicht anfange, Wettbewerbsfähigkeit ans 21. Jahrhundert anzupassen, dann fahre ich wirklich an den Herausforderungen vorbei.
Wenn wir jetzt feiern, wir hätten die "beste Wirtschaft der Geschichte", dann ist das ein bisschen so, als würde ich sagen "Mama, ich hab deine Kreditkarte komplett überzogen, aber ich hab 'ne Bomben-Zeit."
Zur Person
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Politikökonomin
makro: Was gehört dringend in eine Industriestrategie hinein?
Maja Göpel: Es geht um einen systemischen Ansatz. Nur, das einzige System, das immer fehlt, ist das Ökosystem. Das ist nun aber die Grundlage unserer Wirtschaft. Das würde ich da gerne drin sehen. Anzuerkennen, dass wir die Limits einer global gerechten Ressourcennutzung für unsere Wirtschaftsleistung schon lange überschritten haben und deshalb umsteuern. Zu überlegen: Wie gehen wir mit den Ressourcen, die wir noch haben, eigentlich so vernünftig um, dass wir die beste Wirtschaft der Zukunft machen können. So würde ich das ganze Ding neu denken.
Man müsste sich in einer Industriestrategie auch fragen: Wie denken wir heute Produktivität, insbesondere Ressourcenproduktivität? In einer Welt mit wenig verbleibender Natur und vielen Menschen muss ich Produktivität doch ganz anders fassen als Anfang des 19. Jahrhunderts, als viel Natur war und wenige Menschen - und wenig ökonomische Aktivität. Heute liegt die große Innovations- und Fortschrittsfrage nicht mehr bei menschlicher Arbeit, sondern in der Ressourcenproduktivität.
Die Preise müssen die ökologische Wahrheit sagen! Maja Göpel
makro: Wie könnten konkrete Maßnahmen bis 2030 aussehen?
Maja Göpel: Die Preise müssen die ökologische Wahrheit sagen! Bisher haben jene Firmen einen Vorteil, die ihre Umweltkosten externalisieren. Wie schaffen wir es also, die Steuer- und Abgabensysteme so zu korrigieren, dass Unternehmen mit nachhaltigen Geschäftsmodellen wettbewerbsfähig werden? Es wäre eine ganz, ganz wichtige Korrektur, Umweltverbrauch so zu bepreisen, dass jene Unternehmen sich positiv absetzen können und jene Technologien in den Markt kommen, die genau dieses nachhaltige Wirtschaften ermöglichen. Da sind wir jetzt mit der CO2-Bepreisung dran.
makro: Sie halten CO2-neutrales Wirtschaften ökonomisch für rational. Können Sie uns das erklären?
Maja Göpel: Bei der CO2-Nutzung haben wir ein Marktversagen. Es geht nicht darum, dass wir nicht genug fossile Energieträger hätten, sondern um eine Begrenzung durch die Atmosphäre. Die garantiert nur so lange ein stabiles Klima, wie wir den CO2-Gehalt nicht zu hoch treiben. Wenn unser Wirtschaften also die Atmosphäre zu stark verschmutzt, wir das aber nicht physisch sehen und spüren können, dann muss Politik agieren.
Die Märkte brauchen einen Mechanismus, der sagt: "Stop, hier wird eine zentrale Ressource übernutzt! Diese Ressource ist die stabile Atmosphäre." Genau dieses Marktsignal bekommen wir durch eine CO2-Bepreisung. Sie finden eigentlich kaum Volkswirtschaftler, die da nicht mitgehen würden. Und die Kosten eines fortschreitenden Klimawandels sind deutlich höher als die Preiskorrekturen jetzt, deshalb ist das rational.
Heute liegt die große Innovations- und Fortschrittsfrage nicht mehr bei menschlicher Arbeit, sondern in der Ressourcenproduktivität. Maja Göpel
makro: Mit den "Scientist for Future" unterstützen Sie die Schülerstreiks für das Klima. Warum ist diese Bewegung so wichtig?
Maja Göpel: Für mich ist die Bewegung von "Fridays For Future" der jungen Generation aus drei Gründen total wichtig. Das Eine ist, dass junge Menschen noch sehr klar sehen: Wenn etwas rational ist und wünschenswert, warum tut man es dann nicht? Dieses Unverständnis für all die Blockaden.
Und das andere ist natürlich eine moralische Komponente. Wir haben 1987 im Brundtland Bericht für Nachhaltige Entwicklung gesagt, die zukünftigen Generationen sind die leidtragenden, weil sie keine Stimme haben und keine politische Macht. Und genau diese Generation steht jetzt auf. Die haben jetzt ihre Stimme und bringen sie ein. Das ist ein demokratisches Korrektiv.
Und das Dritte ist natürlich, dass sie noch viel weniger Verlustgefühle haben als viele Ältere, weil sie noch nicht so fixiert sind auf einen bestimmten Lebensstil, eine bestimmte Idee von ihrer Rolle und ihrem Status. Sie sehen auch in vielen Bereichen nicht Verlust, nur weil Dinge anders werden sollen. Das hat unheimlich viel Macht und ist unheimlich ansteckend.
Das Interview führten Inga Rabe und Henriette de Maiziere.