Gesellschaft
Vorab-Interview zu Fintechs und Banken: Jäger und Gejagte
Fintech-Unternehmen wildern mit innovativen Finanzdienstleistungen im Garten klassischer Geschäftsbanken. Was das für die Zukunft der Banken bedeutet, skizziert Prof. Matthias Fifka im Interview mit makro.
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Während weit oben in Politik und Bankentürmen oft noch in Kategorien von gestern gedacht und gedealt wird, wie die - mittlerweile gescheiterten - Fusionsgespräche von Deutscher Bank und Commerzbank zeigen, kommt die wahre Innovation der Finanzbranche von unten.
Sogenannte Fintech-Firmen jagen den etablierten Banken mit neuen Ideen das Geschäft ab: Bezahlen per App, ein günstiger Kredit, Geldanlage, Crowdfunding. Nirgendwo ist die Nutzung der Fintech-Dienste dabei so allgegenwärtig wie in China. All das macht Banken nicht überflüssig. Aber, betont der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Matthias Fifka: "Wichtig ist, dass sie die entsprechenden Entwicklungen nicht verschlafen."
makro: Fintech-Unternehmen verändern mit innovativen Angeboten den Finanzsektor. Was bedeutet das für die klassischen Banken: Konkurrenz, Koexistenz oder perspektivisch eine Form von Kooperation?
Matthias Fifka: Wir können im Markt alle drei Konstellationen beobachten. Zunächst entsteht durch Fintechs natürlich häufig eine Konkurrenz für klassische Geschäftsbanken, etwa im Bereich der Zahlungsabwicklung. Hier versuchen Fintechs, schnellere und komfortablere Lösungen anzubieten.
Häufig sind sie dabei aber auf Geschäftsbanken angewiesen, da sie selbst über keine Bankenlizenz verfügen, die aufgrund hoher regulatorischer Hürden und eines großen Kapitalbedarfs schwer zu bekommen ist. Dadurch entsteht Kooperationspotenzial.
Schließlich besteht auch Koexistenz, da Fintechs Leistungen anbieten, z.B. die direkte Kreditvergabe von Privatperson an Privatperson (Peer-to-Peer-Lending), die Geschäftsbanken nicht im Portfolio haben und umgekehrt.
zur Person
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Wirtschaftswissenschaftler, Universität Erlangen-Nürnberg
makro: Frankfurt ist Deutschlands Finanzmetropole. Bei Fintechs sieht es anders aus: Berlin liegt um Längen vorn. Warum? Und: Verschiebt sich da gerade etwas?
Matthias Fifka: Berlin ist noch immer das Zentrum der deutschen Start-Up-Szene, auch wenn sich andere Zentren wie Hamburg oder die Rhein-Ruhr-Region herausbilden. Das ist in hohem Maße "historisch gewachsen", vor allem weil in Berlin eben auch viele der Kapitalgeber für Start-Ups sitzen, wie das bekannte Rocket Internet.
Wo die Fintechs "beheimatet" sind, ist für Geschäftsbanken aber eher sekundär. Wichtig ist, dass sie die entsprechenden Entwicklungen nicht verschlafen und mit Fintechs kooperieren. Deshalb gründen immer mehr Geschäftsbanken ihre eigenen Start-Ups oder beteiligen sich an bestehenden.
Sie selbst tun sich häufig schwer mit der Generierung von Innovation. Deshalb hat Antony Jenkins, ehemaliger Chef der britischen Großbank Barclays, der heute selbst Gründer-CEO eines Fintech-Unternehmens ist, große Finanzinstitute treffend als "Museen der Technologie" bezeichnet.
makro: Nirgendwo ist die Nutzung von Fintech-Angeboten so allgegenwärtig wie in China. Die großen Datenkraken Alibaba und Tencent haben sich in wenigen Jahren den Markt bei Bezahldiensten aufgeteilt. Wie haben sie das geschafft? Sieht so die Zukunft aus?
Matthias Fifka: Ich bin mehrmals im Jahr aufgrund von Gastprofessuren in China und sage immer etwas spaßeshalber: "Der Einzige, der in China noch bar bezahlt, bin ich." Bargeldloser, über das Handy abgewickelter Zahlungsverkehr ist dort allgegenwärtig. In vielen Läden verursacht man Probleme, wenn man versucht, bar zu zahlen, weil kein Wechselgeld vorhanden ist. Sicherheitsbedenken, auch im Hinblick auf eine Überwachung der Transaktionen, sind bei den Chinesen weniger ausgeprägt als bei uns.
Tencent und vor allem der Marktführer Alipay - jetzt Hanbao - waren in diesem Bereich Pioniere, haben aber natürlich auch gute Beziehungen zur chinesischen Regierung, ohne die es nicht geht. So wurde kürzlich bekannt, dass Alibaba-Gründer Jack Ma Mitglied der Kommunistischen Partei ist.
makro: In Ländern wie Indien oder Brasilien, generell in Schwellenländern, ist die Nutzung von Fintech-Diensten oft weiter verbreitet als in Industriestaaten. Warum ist das so? Liegt darin auch eine Chance?
Matthias Fifka: In Entwicklungs- und Schwellenländern haben viele Menschen oft keinen Zugang zu Finanzdienstleistern; entweder, weil eine entsprechende Infrastruktur - vor allem in ländlichen Regionen - gar nicht vorhanden ist, oder weil die ärmeren Menschen für Geschäftsbanken keine interessanten Kunden darstellen. Viele haben also schlichtweg nicht einmal ein Konto.
Gerade hier können vor allem handybasierte Finanzdienstleistungen einen erheblichen Mehrwert schaffen, indem sie Menschen ermöglichen, Geld zu überweisen oder zu empfangen. Dies ersetzt den häufig noch notwendigen physischen Transport von Bargeld, der ineffizient und gefährlich ist.
Das Interview führte Carsten Meyer.