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Klimaexpertin Antje Boetius: Wir brauchen die richtigen Rahmenbedingungen

Bis 2030 will Deutschland seine Klimaziele erreichen. Die Einsparung von CO2 spielt dabei eine große Rolle. Doch Wissenschaftlern, wie Antje Boetius, Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts sind die beschlossenen Maßnahmen der Bundesregierung zu wenig.

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makro: Wie beurteilen Sie das Klimapaket, dass die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat?

Antje Boetius: Wir waren als Wissenschaftler enttäuscht. Das Klimapaket hätte wesentlich mutiger ausfallen müssen, um wirklich den gewünschten Effekt zu erzielen. Der CO2-Preis ist so niedrig, dass das normale und allseits bekannte dynamische „Preisgewackel“ an den Tankstellen den Spritpreis stärker verändern kann als der CO2-Preis, der nun eingeführt wird. Das reicht also nicht. Es gibt auch noch kein Konzept für die soziale Ausgewogenheit. Das Paket ist so gestrickt, dass eher die Wohlhabenderen entlastet werden als einkommensschwächere Bevölkerungsgruppen, die einen geringeren CO2-Fußabdruck haben. Es reicht also noch nicht. Trotzdem muss man sagen: Es sind schon ein paar gute erste Schritte da, es braucht dazu ein echtes Monitoring , ob und wie wir die Ziele erreichen. Mit einem unabhängigen Expertenrat, der mit einem starken Mandat ausgestattet ist, Maßnahmen zu ergänzen.

Prof. Dr. Anke Boetius, Direktorin Alfred-Wegener-Institut
Die Meeresbiologin Dr. Anke Boetius ist Professorin an der Universität Bremen. Sie leitet das Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven und ist Mitglied der Nationalen Akademie Leopoldina.
Quelle: Max-Planck-Institut für Marine

makro: Wie hätten die Maßnahmen aussehen müssen?

Antje Boetius: Unsere Kernempfehlung war ja: jetzt mit einem entsprechend hohen CO2-Preis einen starken Impuls zu setzen, der uns alle erreicht und gleichzeitig die Energiesteuern zu reformieren, auch um die soziale Ausgewogenheit im Blick zu haben. Ziel muss sein, dass die fossilen Energieträger teurer sind als regenerative Energien. Und es muss für uns Bürgerinnen und Bürger machbar sein

makro: Eine CO2-Steuer hätten Sie lieber gesehen?

Antje Boetius: Wichtig ist, dass ein effektiver Preis schnell eingeführt wird. Kurzfristig ist die CO2-Steuer dabei einfacher und schneller umzusetzen als der Emissionshandel. Es ist nicht mein Forschungsgebiet, aber ich habe genau zugehört, was die Ökonomen sagen, und viele empfehlen: CO2-Steuer geht einfach schneller und ist auch einfacher und sozial ausgewogener umzusetzen.

makro: Die Industrie ist ein Bereich, in dem sehr viel CO2 ausgestoßen wird. Was könnte die Industrie tun?

Antje Boetius: In den verschiedenen Industriezweigen geht es genauso wie bei den Bürgern darum: wie kann man umsteuern, wie kommt man günstig zu anderen Energieträgern? Da haben wir natürlich eine Herausforderung in Deutschland, weil wir jetzt vieles gleichzeitig anfassen: Ausstieg aus der Kernkraft, Ausstieg aus der Kohle. Regenerative Energien sind noch nicht mit ausreichend Sicherheit da, um in allen Wetterlagen auszureichen. Da braucht es europaweite Konzepte, wie wir das Energiesystem so bauen können, dass es Arbeitsteilung gibt, dass die Industrie auch wettbewerbsfähig bleiben kann oder sogar Vorteile hat. Wenn die Industrie jetzt umsteuert – und viele haben damit in Deutschland und woanders bereits begonnen -, dann kann sie ihre Fähigkeit noch in andere Länder exportieren und den europäischen Raum mitgestalten. Deswegen darf man nicht immer nur sagen, es ist alles schrecklich, zu teuer und schwierig, sondern man muss auch sagen, jetzt ist die Chance da, um eine bessere Zukunft zu bauen – nichts wird so teuer wie kein Klimaschutz.

makro: Tut unsere Industrie denn genug?

Es reicht leider nicht für die vereinbarten Klimaziele. Gerade im Bereich Automobil hätten wir in Deutschland weiter vorne dran sein können. Im Bereich Photovoltaik waren wir mal recht weit vorne, die Zukunft der Windkraft ist unklar und im Bereich regenerative Energien, vielleicht auch bei CCS oder CO2-Filter; da haben wir noch richtig was zu tun. Wenn man mit Ingenieuren redet, dann sagen sie dennoch, technisch ist alles machbar. Wir brauchen bloß die richtigen Rahmenbedingungen und Impulse, eine Chance auf neue Verfahren der Energieerzeugung, -verteilung, -Effizienz und Infrastrukturen - darum geht’s jetzt.

Das Interview führte Manfred Kessler

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