Gesellschaft
37°: Die Reifeprüfung
Erwachsen werden ist immer kompliziert. Aber wie schwierig ist es, Abitur zu machen während einer Pandemie? Sie prägt eine ganze Generation, jetzt gibt es das Leben vor Corona und das danach.
- Produktionsland und -jahr:
- Deutschland 2020
- Datum:
Die Zeit des Abiturs ist an sich ein emotionaler Ausnahmezustand, Angst und Unsicherheit gehören dazu. Dafür soll nach den Prüfungen die große Freiheit kommen - der beste Sommer des Lebens. Stattdessen kam 2020 Corona.
Zoe ist 18 Jahre alt und besucht die Hamburger Klosterschule. Anfang März waren in Hamburg Ferien und Zoe im Skiurlaub. Danach sollten die Abiturienten ihren letzten Schultag haben, die Motto-Woche feiern und dann ab Mitte April ihre Prüfungen absolvieren. Doch aufgrund der Pandemie kam alles anders: Auf die Ferien folgte die Schulschließung, im Anschluss eine Debatte, ob und wie man das Abitur stattfinden lassen könnte.
Zwei Hamburger Abiturienten starten eine Onlinepetition und fordern ein Durchschnittsabitur: Die Noten der letzten zwei Jahre sollen den Abi-Schnitt bilden, ganz ohne Prüfungen. "Ich will kein Abitur ohne Prüfung. Sonst heißt es für immer, wir haben das Corona-Abitur, und das ist gar kein richtiges. Ich kann mich schon immer gut selbst organisieren, aber mich belastet die ganze Situation, nicht zu wissen, was passiert, nicht planen zu können für die Zeit danach", so Zoe. Der Notendruck ist groß: Zoe will Jura studieren, am liebsten in Berlin. Dazu muss sie einen Numerus clausus von 1,5 schaffen. Aber erst mal wollte sie im Sommer ihre erste große Reise antreten, monatelang durch Asien reisen. Jetzt liegen alle ihre Pläne auf Eis.
"Ich habe Angst, vor allem um meine Familie und Freunde mit einer Vorerkrankung. Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll. Ich vermisse meine Freunde, aber es macht mir Angst zu wissen, dass Millionen Menschen sterben könnten, wenn wir uns nicht an die Maßnahmen halten." Zoes beste Freundin Lucie (19) ist ein Einzelkind, seit Wochen hat sie ihre Freunde ausschließlich im Videochat gesehen. Lerngruppen dürfen nicht stattfinden, die Bibliotheken sind geschlossen, der Unterricht findet, wenn überhaupt, online statt. Lucie ist eine gute Schülerin, später will sie entweder Biologie studieren oder Kunst. "Es ist doch ein Lebensabschnitt, zwölf Jahre lang haben wir auf unseren Abschluss hingearbeitet und uns auf die Zeit danach gefreut. Und jetzt kann ich mich noch nicht mal an meinen letzten Schultag erinnern oder mein Abi so richtig feiern. Gerade war ich noch eine ganz normale Schülerin, und jetzt bin ich plötzlich erwachsen." Lucie und Zoe planen, im Sommer nach Berlin zu ziehen, und sind auf der Suche nach einer WG. Vielleicht macht Lucie dort ein Freiwilliges Ökologisches Jahr, Auslandsaufenthalte sind wohl ohnehin kaum möglich. "Ich habe Angst davor, dass unser Leben nie mehr normal wird, so wie vorher. Es gibt so viele Themen, mit denen unsere Generation umgehen muss, von Klimawandel, über Gender-Fragen bis Rassismus. Und jetzt auch noch Corona."
Für Owen und Quinten (20) aus Zoes Jahrgangsstufe am Gymnasium ist die Zeit der Kontaktsperre ein bisschen weniger einsam: Das ist der Vorteil, wenn man zusammen mit seinem Zwilling Abitur macht. Sie lernen zusammen, unterstützen sich gegenseitig. Nach dem Abi-Ball wollten die passionierten Gamer ein paar Wochen Familienurlaub in Korea machen, das fällt flach. "Irgendwie habe ich das Gefühl, dass uns die Pandemie auch Chancen bietet als Gesellschaft und zeigt, wozu wir gemeinsam in der Lage sind. Das finde ich viel wichtiger als die Tatsache, dass ich vielleicht erst nicht in Urlaub fliegen kann oder erst später anfangen kann zu studieren", meint Quinten. Eigentlich möchte Quinten ab September Games Management in Wedel studieren – ob das in Zeiten der Pandemie klappt? Owen benötigt für sein geplantes BWL-Studium einen guten Abschluss, aber mit Mathematik hat er im Homeschooling extrem zu kämpfen: "Das Abitur wird die größte Herausforderung meines Lebens. Die Pandemie macht es schwieriger, weil die Konzentration fehlt, wir Unterricht verpasst haben und man einfach schlechter lernen kann. Und das hat Auswirkungen auf unsere Zukunft."
"37°" begleitet vier junge Menschen beim Erwachsen werden in der Corona-Krise und zeigt, wie sich die Pandemie auf ihre Leben auswirkt. "37°" zeigt sie im Ausnahmezustand zu Hause in ihren Familien sowie während der Prüfungen und dokumentiert, was danach in ihrem Leben in dieser besonderen Zeit passiert.