Film
Das Weiterleben der Ruth Klüger
Ruth Klüger war eine der bedeutendsten Literaturwissenschafterinnen unserer Zeit. Renata Schmidtkunz hat anlässlich ihres 85. Geburtstages ihren Lebensweg von Wien über zahlreiche Konzentrationslager bis in die USA nachgezeichnet, im Jahr 2020 ist Ruth Klüger kurz vor ihrem 89. Geburtstag gestorben.
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Drei Jahre lang hat Schmidtkunz die aus Österreich stammende Holocaust-Überlebende begleitet: nach Irvine in Kalifornien, wo sie Ordinaria für Germanistik an der Universität von Kalifornien war und zuletzt lebte, nach Göttingen, wo Klüger 20 Jahre lang immer wieder als Gastprofessorin gelehrt hat, und nach Wien, wo sie gemeinsam mit ihrem zweitgeborenen Sohn Dan Angress ihr Elternhaus besuchte.
Es ist eine Sache, den Holocaust überlebt zu haben. Aber es ist eine andere, das Leben nach dem Überleben zu gestalten. Welche Spuren haben die Erfahrungen von Verfolgung und Todesbedrohung im Leben einer Überlebenden hinterlassen? Wie ging es weiter, dieses Leben einer Entwurzelten, die dem Tod durch Glück oder Zufall entkommen war?
Quelle: ORF/Kairos Film.
Ruth Klüger wurde 1931 in Wien geboren, 1942 nach Theresienstadt, später Auschwitz-Birkenau, Christianstadt und Groß-Rosen deportiert. Im Februar 1945 werden sie und ihre Mutter auf einen Todesmarsch Richtung Bergen-Belsen gesetzt. In einer kalten Winternacht gelingt ihnen die Flucht. Der Vater Viktor, Kinderarzt in Wien, ist zu diesem Zeitpunkt schon tot - ermordet im Baltikum.
Dass sie überlebte, nennt sie Zufall. Dass sie eine österreichische Jüdin ist, Schicksal. "Ich komm' nicht von Auschwitz her, ich stamm' aus Wien" sagt sie und beharrt damit auf einer Identität, die nicht durch das "Opfersein", sondern durch die Herkunft und die eigene freie Entscheidung bestimmt wird.
"Der eigentliche Kontrast, der mich interessiert und beschäftigt, ist nicht zwischen Opfer und Täter, sondern zwischen Opfersein und Freisein." Ruth Klüger
Mutter Alma und Ruth, deren Verhältnis von den Erfahrungen in den Konzentrationslagern schwer belastet ist, emigrieren 1947 in die USA. Mutter und Tochter gelingt es, sich wieder zu etablieren: Alma mit zwei weiteren Ehemännern und einem bürgerlichen Leben. Ruth heiratet einen Kriegshelden aus Berlin, den Historiker Tom Angress, der Soldat in der US-Army war. Als Ehemann taugt er ihrer Meinung nach wenig. Die beiden Söhne Percy und Dan wachsen als Scheidungskinder auf.
Quelle: ORF/Kairos Film.
Ruth Klüger wendet sich der deutschen Literatur zu, wird Professorin an diversen German Departments amerikanischer Universitäten. Zuletzt ist sie Ordinaria an der Universität von Kalifornien in Irvine und hat außerdem seit 1988 eine Gastprofessur an der Universität Göttingen inne. Ihr erster Memoiren-Band "weiterleben. Eine Jugend" erscheint 1992 und wird ein Bestseller. 2008 erzählt sie in "unterwegs verloren. Erinnerungen" wie das Leben nach dem Überleben weiterging.
Die österreichische Fernsehjournalistin Renata Schmidtkunz begleitete die international renommierte und mit allen großen Preisen ausgezeichnete Germanistin und Literaturwissenschafterin drei Jahre lang mit der Kamera. Und zwar an jene Orte und in jene Landschaften, an denen Ruth Klügers Leben stattgefunden hat - oder stattfinden hätte können: Wien, Irvine/CA, Göttingen, Jerusalem, Bergen-Belsen.
Ruth Klüger spricht über ihr Leben im "judenkinderfeindlichen" Wien, ihre Eltern, ihre eigene Rolle als Mutter von zwei amerikanischen Söhnen, über ihr Frausein und den Umgang mit Gedenkstätten und über das Gedenken im Allgemeinen. Der Film ist eine Erkundungsreise, niemals jedoch eine "sentimental journey". Dazu ist Ruth Klüger in ihrem Leben zu weit gereist.