Film
DocuMe - Ungeheuerhof
Wo früher Tiere grasten, stehen heute Maschinen. Wo einst Bauernfamilien in dritter Generation lebten, sind heute nur noch der studierte Agrarwirt Jürgen und seine Mutter übrig.
- Produktionsland und -jahr:
-
Deutschland 2024
- Datum:
- Verfügbar in
- D / CH / A
- Verfügbar bis:
- bis 03.05.2025
Der Film begleitet Jürgen und seine Mutter auf dem "Ungeheuerhof" in Baden-Württemberg über drei Wochen am Ende eines Sommers. Die Tage sind von körperlicher Arbeit geprägt, aber auch von Selbstzweifeln, Krisen und Einsamkeit.
Vor allem Jürgen verbringt gefühlt endlose Stunden allein auf seinem modernen Traktor, der als Hocheffizienz-Maschine Segen und Fluch zugleich zu sein scheint. Wie die meisten Bauern möchte der Landwirt einmal seinen gut bestellten Hof einem Erben übergeben, zumal er das Anwesen technisch auf die Höhe der Zeit gebracht hat.
Doch sein kleiner Sohn Max hat mit gravierenden psychischen Problemen zu kämpfen. Er lebt zeitweise bei seiner Mutter wie auch auf dem Hof des Vaters. Ohne zu urteilen, zeichnet der Film das Bild einer modernen Bauernfamilie, die sich den Herausforderungen der Zeit sowohl wirtschaftlich als auch familiär stellen muss.
Regisseurin Gretel Ribka und Regisseur Jonas Riedinger studieren beide seit 2021 Dokumentarfilm an der Hochschule für Fernsehen und Film München. Mit ihrem ersten gemeinsamen Film "Ungeheuerhof" waren die beiden Nachwuchsfilmemacher unter anderem 2023 zu den "Internationalen Hofer Filmtagen" und 2024 zum "Bundesfestival junger Film" eingeladen.
Interview mit den Filmemachern Gretel Ribka und Jonas Riedinger
Wie sind Sie auf die ungewöhnliche Familie des "Ungeheuerhofs" aufmerksam geworden?
Nach längerer Recherche und Suche nach Protagonist:innen für unseren Dokumentarfilm "Ungeheuerhof" wurden wir schließlich von Jürgen, unserem Landwirt im Film, über Facebook kontaktiert. Dort hatten wir in landwirtschaftlichen Gruppen unser Filmprojekt vorgestellt. Wir haben die Familie in Baden-Württemberg besucht und wurden von Anfang an sehr warm empfangen.
Zuvor hatten wir über Verbände, Organisationen und private Kontakte in der Landwirtschaft versucht, passende Personen zu finden. Wir waren viel im Allgäu auf Milchviehbetrieben unterwegs und durften vielfältige Einblicke in den Arbeitsalltag gewinnen. Zu jedem Besuch gehörten lange Gespräche am Küchentisch, da die meisten viel zu erzählen hatten.
Die Geschichte von Jürgen und seiner Familie erschien uns letztlich als erzählenswert: Die großen Veränderungen der letzten Jahre, die harte Arbeit und die Herausforderungen seines Sohnes spiegeln eine sehr persönliche Lebensrealität wider, die wir in der Recherche auf vielen Höfen erlebt haben.
War es schwierig, zu ihnen ein Vertrauensverhältnis aufzubauen?
Jürgen und Hanna waren schon vom ersten Moment an ziemlich offen zu uns. Nach dem ersten Facebook-Chat haben wir telefoniert. Jürgen war gerade auf dem Feld unterwegs und erzählte uns direkt von seinem kranken Sohn und der belastenden Arbeitssituation, in der er sich befindet.
Wir fanden diese Offenheit sehr mutig und sind daraufhin zu Jürgen, Hanna und Max auf den Hof gefahren, um sie persönlich kennenzulernen. Das war uns von Anfang der Recherche an wichtig - gerade bei den schweren Themen in einem längeren Gespräch von Angesicht zu Angesicht sprechen zu können.
Bei diesem ersten Treffen in Ungeheuerhof haben wir uns schon gleich sehr wohl gefühlt mit den Dreien. Und sie fanden uns und unser ehrliches Interesse auch so sympathisch, dass wir recht schnell entschieden haben, diesen Film gemeinsam zu machen.
Bei unserer Ankunft mit dem ganzen Film-Equipment schien Hanna erstmal schon ein bisschen skeptisch. Aber wir hatten viel Zeit eingeplant, sodass sich alle an die Situation gewöhnen konnten und langsam verstehen konnten, wie wir arbeiten. Und so wurde aus der Skepsis eher ein Interesse am Prozess und eine Vorfreude auf das fertige Ergebnis.
In Ihrem Film geben Sie einen ungeschönten Einblick in die aktuelle Situation landwirtschaftlicher Familienbetriebe in Deutschland. Wie überlebensfähig sind diese Bauernhöfe?
Die Herausforderungen, mit denen viele landwirtschaftliche Familien konfrontiert sind, fallen natürlich von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich aus. Dennoch haben wir in der Recherche gemerkt, dass einige zentrale Themen - lange Arbeitszeiten, schwierige Arbeitsbedingungen und Abhängigkeiten, große strukturelle Veränderungen, Generationenkonflikte und die Auswirkungen des Klimawandels - bei vielen Betrieben eine Rolle spielen. Und dann kommen eben noch die ganz persönlichen Herausforderungen des Lebens dazu, wie in Jürgens Fall sein kranker Sohn, dessen Betreuung und Pflege immer im Konflikt mit seiner Arbeit steht.
In unserem Film möchten wir erzählen, welche Auswirkungen diese großen abstrakten Themen konkret auf eine Familie und auf den Einzelnen haben können.
Unsere Recherchen und Gespräche haben uns gezeigt, dass besonders kleine Höfe zunehmend unter Druck stehen. Einerseits wird es immer schwieriger, die finanzielle Existenz zu sichern. Andererseits scheitert die Zukunft des Betriebs oft an der Frage der Nachfolge. Nur selten übernehmen Außenstehende einen Hof - meist gibt es entweder ein Familienmitglied, das weitermacht, oder der Betrieb muss aufgegeben werden.
Der Alltag in einem Familienbetrieb ist eng getaktet: Lange Arbeitszeiten, komplexe Prozesse und die Verlagerung von Feldarbeit hin zu bürokratischen Aufgaben am Computer bestimmen den Tagesablauf. Für Krankheit und Urlaub gibt’s keine Zeit, geschweige denn für psychische Krankheiten, die durch hohen Arbeitsdruck und familiäre Verpflichtungen entstehen und zu langfristiger Arbeitsunfähigkeit führen können.
Fehlt es dann an Unterstützung, um eine echte Auszeit zu nehmen, stehen viele Höfe vor dem Aus. In den meisten Fällen werden sie schließlich von größeren Betrieben aufgekauft und ausgebaut.
Interview: Nicole Baum, Januar 2025