Dokumentation
Mostviertel - Das Viertel der Verführung
Keine unberührte Wildnis, kein Nationalpark und kein spektakuläres Naturphänomen, sondern eine durch Menschenhand geformte Landschaft steht im Mittelpunkt der "Universum"-Dokumentation "Das Viertel der Verführung" von Barbara Puskas.
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Eine Region Österreichs, die Mensch und Tier Raum lässt, ein Kulturland, in dem beinahe alle in Österreich vorkommenden Tierarten anzutreffen sind, ein Juwel im Herzen Österreichs: Das Mostviertel.
Eingebettet zwischen Donau und Alpen beherbergt das Mostviertel das größte geschlossene Mostbirnbaumgebiet Mitteleuropas. Die stattlichen Baumpersönlichkeiten verleihen dem Viertel Charakter, der Saft ihrer herben Früchte gibt ihm seinen Namen.
Verlockend für unzählige Tierarten - das Mostobst
Quelle: ORF/Zeggl-Film
Mehr als 300.000 Mostobstbäume verführen alljährlich Millionen von Lebewesen zum Verweilen. In ihren Knospen nisten sich Rüsselkäfer ein, in ihre jungen Triebspitzen legen Birnentriebwespen die Eier ab, und ihre Blüten werden von Heeresscharen nektarliebender Insekten besucht. Der Höhepunkt der Invasion setzt im Herbst ein, wenn die überreifen Früchte auch die Bodenbewohner anlocken.
Kein Wunder, dass 80 Prozent der "Mostviertler" Brutvögel in den Streuobstwiesen nisten. Denn zusätzlich zum reichlichen Nahrungsangebot sind die ungeschnittenen, naturbelassenen Mostobstbäume ideale Refugien für Höhlenbrüter. Hier finden vom Grünspecht bis zum seltenen Mittelspecht, vom Gartenbaumläufer bis zum Kleiber und von der Blaumeise bis zum Steinkauz eine Reihe von Vögeln geeignete Brutquartiere. Im Frühsommer ragt aus nahezu jedem Baumloch ein weit aufgesperrter Schnabel und bettelt um Futter.
Die frei in der Landschaft verstreuten Obstwiesen bieten nicht nur vielen gefährdeten Tierarten einen Lebensraum, sie durchbrechen auch landwirtschaftlich intensiv genützte Flächen, verhindern Erosion, dienen als Wasserreservoir und spenden Schatten.
Unterschiedliche ökologische Nischen
Dennoch bedarf es für ein intaktes Ökosystem mehr als der wunderbaren Baumriesen. Wiesen, Äcker, Wälder, Bäche und Weiher strukturieren das Mostviertel in unterschiedlichste ökologische Nischen. In den Flüssen treffen Fische aus eisigen Gebirgsbächen mit Fischen aus der Donau zusammen, vereinzelt brüten Störche und Reiher, und sogar der vom Aussterben bedrohte Brachvogel findet in den feuchten Wiesen einen Lebensraum.
Zusammenleben von Mensch und Tier
Quelle: ORF/Zeggl-Film
Selbst die Anwesenheit von Menschen und Haustieren kann für manche Arten überlebenswichtig sein. Der Steinkauz, zum Beispiel, sucht die Nähe von Bauernhöfen, da er dort leichter Mäuse findet. Klinisch saubere Ställe allerdings, die die kleinen Nager nicht zulassen, rauben dem Steinkauz - vor allem im Winter - seine bedeutendste Jagdbastion.
"Das Viertel der Verführung" schreibt Anekdoten einer Landschaft im Jahreslauf, die Geschichten der Birnbäume, der Menschen und der Tiere. Über einen Zeitraum von zwei Jahren hielten insgesamt acht Kameramänner heitere, interessante, spannende und ungewöhnliche Begegnungen mit der heimischen Fauna und Flora fest. Vor laufender Kamera passieren Tragödien: ein Uhujunges stürzt vom Felsen - Komödien: ein Dachs wird von einer Kuh verfolgt - und Alltägliches, aber nie Gesehenes: die Entwicklung von in den Knospen, Blüten, Zweigen und Blättern verborgenen Geschöpfen.
Eine Landschaft in vier Jahreszeiten
Quelle: ORF/Zeggl-Film
Produzent Heinz Zeggl ist geborener Mostviertler, er konnte die Idee zu einer "Universum“-Dokumentation über seine Heimat verwirklichen. Dementsprechend groß war sein persönlicher Einsatz. Die Zeggl-Film entwickelte die Technik zu einem 360-Grad-Schwenk, der in einer Umdrehung alle vier Jahreszeiten durchläuft. Mit diesem so genannten Roundshot eröffnet das "Viertel der Verführung". Die Musik dazu schrieb Markus Binder von der Gruppe Attwenger.
Ein Netzwerk aus Biologen, Ökologen, Jägern, Natur- freunden und Bauern informierte das "Universum"-Team um Regisseurin Barbara Puskas laufend über die aktuellsten Geschehnisse im Land, sie verrieten in welchem Baum der Steinkauz brütete, wo der Uhu und wo die Dachsbaue verborgen waren. Viele Szenen konnten nur durch ihre tatkräftige Unterstützung gefilmt werden.
Im Zentrum der Dokumentation stehen die Mostbirnbäume und ihre Bewohner, dennoch ist "Das Viertel der Verführung" keine reine Tiergeschichte. Von jeher haben Menschen das Land geprägt, und das Mostviertel ist in gleichem Maße ein Kultur- wie Naturland, es ist ein Musterbeispiel dafür, wie eine vernünftig betriebene Landwirtschaft vielen Tierarten Raum geben kann, die andernorts längst verschwunden sind.