Dokumentation
Der Prater - Eine wilde Geschichte
Als im Wiener Ernst Happel-Stadion die entscheidenden Fußball-Dramen der Euro 2008 aufgeführt wurden, ahnte kaum einer der Fans und Schlachtenbummler, dass nur wenige Meter außerhalb der Stadion-Arena eine einzigartige Stadtwildnis beginnt.
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Und auch die Besucher des Wiener Wurstelpraters - einer der ältesten Vergnügungsparks der Welt - würden über den Artenreichtum staunen, der sich in dem sechs Quadratkilometer großen Areal des Praters verbirgt. Nur wer vom weltberühmten Riesenrad aus über das weitläufige Grüngebiet blickt, kann vielleicht ermessen, wie viel Wildnis sich zwischen Wiener Hafen und Wurstelprater verbirgt.
Quelle: ORF/Peter Sehnal
Vor allem in den Gebieten jenseits des Lusthauses kann man in aller Früh Rehe oder Feldhasen beobachten. Und auf nächtlichen Streifzügen kann man auf Füchse und Steinmarder treffen - und sogar auf einen echten amerikanischen Legionär in der heimischen Tierwelt: Der Waschbär fühlt sich im Wiener Prater besonders wohl.
Weite Teile des wilden Praters waren einst Au-Landschaften entlang von Seitenarmen der Donau. Viel von dieser Au-Charakteristik hat sich bis heute erhalten: Wenn im Winter die Biber Bäume ins Eis krachen lassen und Eisvögel nach Fischen tauchen, kann man leicht vergessen, dass gleich daneben eine der am meisten befahrenen Straßen Europas verläuft. Und wenn im Frühling die frisch geschlüpften Mandarinenten aus ihren Nestern meterweit in die Tiefe springen oder Libellen paarweise durchs Schilf schweben, glaubt man sich ebenso wenig im Zentrum einer Millionenstadt.
Wildnis und Stadt unmittelbar nebeneinander
Quelle: ORF/Peter Sehnal
Nach seinen überaus erfolgreichen UNIVERSUM-Dokumentationen über die Donauinsel und den Zentralfriedhof zeigt Regisseur Manfred Corrine ein weiteres Wiener Stadtbiotop von seiner weniger bekannten Seite. "Die typische Reaktion bei den Dreharbeiten war: Ein Universum über den Prater macht Ihr? Was soll es da schon geben?" erinnert sich Corrine an staunende Passanten: "Dabei liegen im Prater wirklich Wildnis und Stadt unmittelbar nebeneinander. Wir haben zum Beispiel direkt neben einem Kinderspielplatz an der Hauptallee gedreht, wo in einem komplett mit Bärlauch zugewachsenen Bombentrichter ein Fuchsbau liegt."
Quelle: ORF/Peter Sehnal
Natürlich bot die Stadtnähe allerlei Annehmlichkeiten für das Filmteam, aber als Ausgleich mussten die Tierfilmer mit ungewohnten urbanen Risiken rechnen: "Einmal hat man uns sogar, während wir im Gebüsch im Tarnzelt gesessen sind, die Fahrräder gestohlen." Tarnung sei oft entscheidend gewesen, denn gerade wegen der Nähe zum Menschen wären die Tiere extrem vorsichtig, berichtet der Regisseur: "Wir sind unzählige Male schon im Morgengrauen am Wasser gesessen, um den Biber vor die Kamera zu kriegen - nur, um ihn kurz von hinten zu sehen, wie er abtaucht und dabei die anderen mit einem ordentlichen Plantschen warnt." Letztlich gelangen Corrine und seinem Team die gewünschten Aufnahmen, wenn auch mit deutlich mehr Aufwand als geplant.
Manch tierischer Bewohner nutzt zivilisationsbedingte Gegebenheiten
Quelle: ORF/Peter Sehnal
Andere tierische Prater-Bewohner zierten sich nicht so, sich zu zeigen. Viele funktionieren die zivilisationsnahen Gegebenheiten einfach für ihre Zwecke um. "Wenn die Enten von Besuchern gefüttert werden, stehen die Graureiher oft gleich daneben", staunte Corrine, der den Grund dafür gleich darauf erkannte: "Die Brotkrümel locken auch Fische zur Oberfläche, und darauf hat der Reiher natürlich schon gewartet."
Bei manchem Darsteller wusste man vor den Dreharbeiten gar nicht, dass er im Prater überhaupt vorkommt. Der Wirt eines Schutzhauses in einer Schrebergarten-Siedlung brachte Corrine auf die Spur: "Er erzählte, dass er auf dem Heimweg in der Nacht immer wieder etwas vorbeihüpfen gesehen hätte. Und dass es viel größer und massiger gewesen wäre als ein Marder oder Fuchs." Der wissenschaftliche Berater Peter Sehnal identifizierte das korpulente Phantom zweifelsfrei als Waschbären. "Man wusste schon vorher, dass die Waschbären in der Lobau leben", so Corrine, "und es war scheinbar nur eine Frage der Zeit, bis sie über irgendeine Brücke auch in den Prater kommen."